OGA vom 18.09.2023
Flüchtlinge Viele Deutsche stehen der Migration skeptisch oder ablehnend gegenüber. Sind Ängste vor Identitätsverlust, wachsender Kriminalität oder Zuwanderung in die Sozialsysteme berechtigt? Eine Bestandsaufnahme.
Von André Bochow
Neben der Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtlingen aus der Ukraine haben die Kommunen auch den Zuzug von Menschen aus anderen Ländern zu verkraften. Die Zahl steigt ständig. Vermutlich werden am Ende des Jahres mehr als 300.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. Und egal, wie weit die Versuche, die Zuwanderung zu kontrollieren und zu begrenzen auch gehen werden, die meisten, die bislang gekommen sind, werden bleiben. Die Akzeptanz gegenüber der Migration aber sinkt. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber es gibt einige Ansichten, die die Debatte prägen.
Behauptung: Migration bedeutet mehr Kriminalität. Das stimmt weitgehend und bedarf trotzdem einiger Erläuterungen. Zunächst die Zahlen: Für das Jahr 2022 gibt das Bundeskriminalamt (BKA) 1.309.906 deutsche und 783.876 nicht-deutsche Tatverdächtige an. Nimmt man die ausländerrechtlichen Verstöße heraus, bleiben noch 612.438 nicht-deutsche Tatverdächtige übrig. Das bedeutet: Bei einem Anteil von knapp 15 Prozent der Bevölkerung werden etwa ein Drittel der Straftaten von Nicht-Deutschen begangen.
Und, so das BKA in seinen „Kernaussagen Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“, die Zahl der Straftaten von Zuwanderern stieg von Januar bis September 2022 um 16 Prozent. Zwar stellt das BKA klar, dass „die Mehrzahl der in Deutschland aufhältigen Zuwanderer/Zuwanderinnen nicht im Zusammenhang mit einer Straftat in Erscheinung“ getreten ist, aber die Deliktszahlen (vorwiegend Eigentums-und Betrugsdelikte) sind hoch. Klar ist auch: Die Zahlen sagen nichts über Menschen mit Migrationshintergrund, sondern ausschließlich etwas über jene ohne deutschen Pass. Ein Grund für die hohe Zahl ausländischer Straftäter ist der hohe Anteil junger Männer unter den Migranten.
Laut dem Mediendienst Integration werden daneben zwei weitere Erklärungsansätze in der Forschung diskutiert. „Zum einen, dass aus bestimmten Ländern nicht ein Querschnitt der Bevölkerung auswandert, sondern tendenziell häufiger Personen, die ein höheres Risiko für Kriminalität haben: etwa, weil sie tendenziell stärker armutsgefährdet sind oder früher selbst Gewalt erfahren haben.“ Eine andere These: Menschen, denen in Deutschland weniger Chancen und Perspektiven geboten werden, haben ein höheres Risiko, straffällig zu werden. Tatsächlich sind zum Beispiel Syrer, die subsidiären Schutz genießen, unterproportional in der Kriminalstatistik vertreten.
Behauptung: Ein Großteil der Zuwanderer profitiert vom deutschen Sozialsystem. Zunächst einmal: Asylbewerber bekommen kein Bürgergeld, sondern existenzsichernde Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nach 18 Monaten Aufenthalt gibt es das Bürgergeld. Schaut man auf den Migrationsmonitor der Bundesagentur für Arbeit, findet man unter Migranten aus bestimmten Ländern sehr hohe Anteile an Bürgergeldempfängern. Etwa 66 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer (707.770), 55 Prozent der aus Syrien Geflüchteten (498.583), 47 Prozent der Afghanen (176.598) und knapp 42 Prozent der Iraker (115.192) bezogen Stand Juni 2023 Bürgergeld. Insgesamt bekommen in Deutschland derzeit 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld, etwa 2,9 Millionen davon sind Deutsche.
Der große Anteil bei den ukrainischen Staatsbürgern hängt ganz offensichtlich mit der hohen Zahl ukrainischer Frauen mit Kindern zusammen, die ohne ihre Männer eingereist sind. Experten verweisen darüber hinaus auf den Zusammenhang von Aufenthaltsdauer und Arbeitsaufnahme. So heißt es in einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: „54 Prozent der Geflüchteten mit einer Aufenthaltsdauer von sechs Jahren sind erwerbstätig. Davon arbeiten zwei Drittel in Vollzeit und 70 Prozent üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus.“ Die Erwerbstätigenquote in Deutschland insgesamt liegt laut Statistischem Bundesamt bei 76,9 Prozent.
Behauptung: Die Politik hat die Kontrolle verloren. Fest steht, dass es viele Bemühungen der deutschen und der europäischen Politik gibt, um die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen. Innerhalb der EU wurde das gemeinsame Asylsystem GEAS beschlossen, mit Asylverfahren an den Außengrenzen der EU. Es gibt Bemühungen um Migrationsabkommen und eine verlängerte Liste sicherer Herkunftsstaaten. An der österreichisch-bayerischen Grenze wird kontrolliert, anderswo setzt man auf Schleierfahndung. Viele Maßnahmen werden aber erst allmählich greifen. Vorerst steigen die Zuwanderungszahlen weiter. Und 30 Prozent aller Asylanträge im ersten Halbjahr 2023 innerhalb der EU wurden in Deutschland gestellt.
Zur Wahrheit gehört auch, dass viele der gegen irreguläre Migration getroffenen Maßnahmen, etwa die Unterbringung von Kindern in Lagern an den Grenzen, Pushbacks – also die Zurückweisung an der Grenze –, Grenzzäune und vor allem die Zusammenarbeit mit Diktaturen menschenrechtliche Grundsätze verletzen und humanitäre Werte infrage stellen.
Flüchtlingszahlen
Allein im August hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 27.738 Asylerstanträge entgegengenommen. Im Zeitraum Januar bis August 2023 haben insgesamt 220.116 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt (204.461 Erst- und 15.655 Folgeanträge). Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (115.402 Erstanträge) bedeutet dies einen Anstieg um 77,2 Prozent. 15.897 der Erstanträge im Jahr 2023 betrafen in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr. Die meisten Asylanträge wurden von Syrern (62.610), Afghanen (37.474) und von türkischen Staatsbürgern (29.661) gestellt. Quelle: BAMF
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Nun können die populistischen Parteien diese Zahlen verdrehen und für sich ausschlachten. Sie kommen allerdings nicht um die feststehenden Fakten herum!
Aber wie wir wissen, lassen sich die AfD und ihre Sympathisanten nicht mit Fakten verwirren. Sie bestehen auf ihre ganz eigene „Wahrheit“.