Auswertung des Mobilitätskompass

28. Oktober 2023OBERHAVEL

Kremmen landesweit Schlusslicht

Verkehr

Bei der Umfrage „Mobilitätskompass“ landet Kremmen landesweit auf dem letzten Platz. Was sind die Gründe? Was muss besser werden?

Von Jessica Neumayer

Um die Mobilität in Kremmen steht es nicht gut – zumindest, wenn es nach den knapp 8000 befragten Brandenburgerinnen und Brandenburgern geht, die bei der Online-Umfrage von moz.de zum Thema Mobilität mitgemacht haben. Kremmen bildet das Schlusslicht der elf Städte des Landkreises Oberhavel, und auch im landesweiten Vergleich landet die Stadt ganz hinten. Woran liegt das, und wie könnte es verbessert werden?

Wer an Kremmen denkt, sieht vielleicht als Erstes den historischen Stadtkern, das Scheunenviertel oder die ländliche Idylle vor sich. Die Ackerbürgerstadt mit ihren sieben Ortsteilen wurde in den vergangenen Jahren vor allem bei Familien immer beliebter. Dem Stadtleben entkommen, aber dennoch gut angebunden wohnen, so ist die Vorstellung. In der Praxis sieht das anders aus.

Um die Mobilität zu verbessern, müsste die Deutsche Bahn zuverlässiger werden.

Sebastian Busse (CDU) Bürgermeister

Am schlechtesten schneidet Kremmen bei der Nutzbarkeit von Radwegen ab.

Bei den Fragen des Mobilitätskompasses bezüglich Infrastruktur, Sicherheit und Nahverkehr erhielt Kremmen im Ranking von allen beteiligten Orten Brandenburgs eine 3,27 – wobei 1 für sehr gut und 5 für sehr schlecht steht – und landet in der Rangliste als Schlusslicht auf Platz 114.

Gute Anbindung mit dem Auto

Die Anbindung per Straße ist nicht das Problem. Mit den Landstraßen L170 und L19 hat Kremmen gute Voraussetzungen, mit dem Auto schnell nach Nauen, Oranienburg oder Herzberg (Mark) zu kommen. Auch die zwei Auffahrten zur A24 versprechen gute Anschlussmöglichkeiten zu näheren oder entfernteren Zielen, wie beispielsweise Berlin oder Hamburg. „Mit dem Auto sind wir gut angebunden“, sagt Eckhard Koop, Vorsitzender des Ortsbeirats Kremmen.

Ähnliches spiegelt sich in den Umfrageergebnissen wider. Im Bereich Infrastruktur Auto schafft Kremmen mit einer 2,7 den Sprung ins hintere Mittelfeld aller Kommunen Oberhavels – auf Platz acht von elf. Dennoch übt Koop Kritik am schlechten Zustand der Straßen und fordert hier Verbesserung, und zwar auch über Kremmen hinaus. „Wenn man durch Vehlefanz fährt, ist das eine Zumutung fürs Fahrzeug“, sagt Koop.

Laut Umfrageergebnissen wird die Infrastruktur für Autos jedoch nicht groß bemängelt. 48 Prozent der Befragten sagen, dass auf die Belange der Autofahrenden geachtet werde. Über die Hälfte der Befragten stimmen zudem zu, dass die Parksituation sehr gut ist und bewerten positiv, dass es selten Stau gibt.

Am schlechtesten schneidet Kremmen (3,46) bei der Nutzbarkeit von Radwegen ab. In Oberhavel wird nur Birkenwerder (3,48) knapp schlechter bewertet. Problematisch wird von 83 Prozent der Befragten gesehen, dass Autos beim Überholen zu wenig Sicherheitsabstand halten. Zudem sind die Radwege, sofern es sie überhaupt gibt, zu schmal. Anders sieht das mit den Verbindungen in die Umgebung aus. Gute Beispiele sind die Radwege Richtung Havelland nach Nauen und nach Beetz.

Zwischen Flatow und Kremmen, Beetz und Herzberg sowie Sommerfeld und Hohenbruch fehlt eine Radverbindung. „Der Radweg zwischen Schwante und Germendorf ist seit 15 Jahren vermessen, aber es geht nichts voran“, ärgert sich Eckhard Koop und fügt hinzu „Das wäre eine traumhafte Strecke, wenn man zum Beispiel mit dem Fahrrad zum Tierpark Germendorf kommen würde.“ So sei die Strecke jedoch gefährlich, und es sei ein Wunder, „dass da noch nichts Schlimmes passiert ist“, bemängelt der Ortsbeiratschef.

Auch Bürgermeister Sebastian Busse (CDU) sieht Nachholbedarf im Fahrradverkehr. Notwendig seien Radwege, die die Kreisgebiete überschreiten, zum Beispiel nach Linum. Seiner Ansicht nach braucht es aber auch gute Radwege nach Oranienburg und Flatow. Busse sieht es als problematisch an, dass in den meisten Fällen der Landesbetrieb Straßenwesen verantwortlich ist. „Wir melden die Straßen immer wieder, aber die Prioritäten des Landes liegen woanders, als in Kremmen die Radwege auszubauen“, sagt Busse.

Der Bedarf von Radwegen übers Land ist in ganz Brandenburg sehr hoch, bestätigt Steffen Streu, Pressesprecher des Landesbetriebs Straßenwesen Brandenburg. „Aus diesem Grund müssen unter Berücksichtigung verschiedener Kriterien und vorhandener Planungskapazitäten Prioritäten gesetzt werden“, erläutert der Sprecher.

Zu den Kriterien zählen unter anderem die tägliche Verkehrsbelastung, die Schulwegsicherung sowie die Anbindung an Bahnhöfe. Der Landesbetrieb Straßenwesen habe die Radstrecken um Kremmen herum untersucht und festgestellt, dass es keinen weiteren Bedarf gebe, teilt der Sprecher mit. Folglich bleibt Kremmen ohne weitere Radwege.

Busfahrzeiten sind ungünstig

Wer nicht die Option hat, den Drahtesel zu nehmen, und dennoch nicht mit dem Auto fahren möchte oder kann, muss auf öffentliche Verkehrsmittel setzen. Doch auch hier schneidet die Stadt Kremmen (3,0) schlecht ab. Busse und Bahnen fahren zu ungünstigen Zeiten, sagen zwei Drittel der Befragten. Zudem fallen sie häufig aus oder kommen unpünktlich. „Um die Mobilität zu verbessern, müsste die Deutsche Bahn zuverlässiger werden und die OVG die Dörfer häufiger anfahren“, fordert Bürgermeister Busse. Aber auch an die Bürgerinnen und Bürger appelliert er: „Das Angebot, das da ist, muss auch genutzt werden.“

In eine ähnliche Richtung geht die Forderung von Eckhard Koop. Er schlägt vor, dass neue Linien länger getestet werden. „Ein Angebot wird erst angenommen und hat die Chance sich zu bewähren, wenn es auch lange genug angeboten wird.“ Koop sieht den Landkreis in der Pflicht, auch in den entfernteren Regionen attraktive Anbindungen zu schaffen. „Wenn ich weiß, dass ich nach 19 Uhr nicht mehr nach Hause komme, dann ist der öffentliche Nahverkehr unattraktiv. Da wird jeder aufs Auto ausweichen“, sagt Koop.

Zudem fordert er, dass auch direkte Verbindungen angedacht werden sollten. Für eine Stecke, die mit dem Auto in 25 Minuten zu bewerkstelligen ist, braucht der Bus die doppelte Zeit, erklärt Koop. Er schlägt eine Buslinie vor, die über Schwante und Sommerswalde in die Kreisstadt fährt. „Dann wäre man in 35 Minuten in Oranienburg.“

Busse und Koop sind sich einig, dass Kremmen mit dem Prignitz-Express (RE 6) nach Berlin und Neuruppin, und der Regionalbahnlinie RB 55 gut angebunden ist. Sie erklären jedoch, dass die Bahn erst dann attraktiv ist, wenn die Züge zuverlässiger fahren. „Wenn ich nach Berlin zum BER will, würde ich eine andere Verbindung wählen“, bemängelt Koop. Er hätte zu viele Bedenken, dass die Bahn ausfalle. Zudem gibt es keine Direktverbindung.

Als Alternativroute nimmt er den Bus nach Nauen und von dort die Bahn zum BER. „Die historische Bahnverbindung über Nauen sollte wieder reaktiviert werden“, schlägt Koop vor. Dies wäre ein Pluspunkt für die Erreichbarkeit Kremmens, doch es ändert nichts an seinem Hauptkritikpunkt: Unzuverlässigkeit.

Unverständliche Tarife

Weitere Gründe, die von der Nutzung der Bahn abschrecken, sind für 64 Prozent der Befragten als zu teuer empfundene Ticketpreise sowie die schlechte Information bei Fahrplanänderungen. Eine unverständliche Tarifstruktur schreckt zusätzlich ab. Falls Reisende dennoch das Abenteuer Bahn angehen wollen, vermissen sie genügend Ticketautomaten, bemängeln über 60 Prozent der Befragten. Wer in Kremmen mobil sein möchte, kann weder auf ausreichend öffentlichen Verkehrsmittel zurückgreifen, noch alle Ziele auf sicheren Radwegen erreichen. 77 Prozent der Kremmener geben an, ein Auto zu brauchen, um mobil zu sein. Fast genauso viele sind zudem mit dem ÖPNV unzufrieden.

Eine gute Nachricht gibt es jedoch. Zumindest als Fußgänger fühlt sich der Großteil in Kremmen sicher. Das sagen 57 Prozent der Befragten. Vielleicht liegt das daran, dass knapp 60 Prozent der befragten Kremmener loben, dass kein Auto die Fußwege zuparkt. Wenn also alle anderen Optionen fehlschlagen, bleibt einem immer noch der Gang zu Fuß – sofern man das Städtchen nicht verlässt.

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