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Digitalisierung der Bürgerbeteiligung in Kremmen möglich?

Im OGA vom 09./10.07.2022 ist nachzulesen, dass sich die Kremmener Stadtverordneten mit dem Thema „Streaming der Ratssitzungen“ beschäftigen (wollen). Ja, sie haben die Absicht, jedoch bestehen noch viele offenen Fragen bei den Stadtverordneten zum Thema, insbesondere auch die Kosten-Nutzen-Rechnung.

Ja, so habe ich auch geschaut…aber lest doch einfach selbst.

OGA vom 09.07.2022 Region im Blick

Alles nur teure Show?

Lokalpolitik In Oranienburg, Hennigsdorf, Velten und Hohen Neuendorf werden die Sitzungen der Stadtparlamente und Fachausschüsse im Internet übertragen. Jetzt wird darüber auch in Kremmen diskutiert. Lohnt der Aufwand?

Bislang wird in Kremmen ganz klassisch getagt. Sowohl zu den Ratssitzungen als auch zu den Sitzungen der Fachausschüsse können interessierte Einwohner kommen und auch Fragen stellen. Ins Netz werden die Sitzungen nicht übertragen.

Volkmar Ernst

Wie die Bürger erreichen, um sie an den Debatten, Entscheidungen ihrer gewählten Parlamentarier teilhaben zu lassen? Diese Frage wurde nun auch in der Kremmener Stadtverordnetenversammlung diskutiert. Die Fraktion von UWG, LGU und SPD hatte den Vorschlag eingereicht, „Aufzeichnungen in Wort und Bild des öffentlichen Teils der Stadtverordnetenversammlung aufzunehmen und diese live ins Internet zu übertragen“. Die Einwohner sollen dadurch besser über die Arbeit ihrer Kommunalvertreter informiert werden, vor allem sollen sie nachvollziehen können, wer sich wie für welches Projekt engagiert. Die Fraktion erhofft sich dadurch mehr Bürgernähe und Reaktionen der Zuschauer an die Abgeordneten.

Zwei wichtige Fragen

Die Diskussion dazu konzentrierte sich auf zwei Aspekte: Wie können die Datenschutzvorgaben eingehalten werden? Wie sieht die Kosten-Nutzen-Rechnung aus?

Die Kamera soll so aufgestellt werden, dass nur Abgeordnete und keine Gäste aufgenommen werden. Wer als Verwaltungsmitarbeiter oder Gast nicht in der Aufzeichnung zu sehen oder zu hören sein will, müsse vorab geklärt werden.

Schwieriger war die Frage nach Aufwand und Nutzen zu beantworten. Genau in die Richtung zielte die Frage von Eckhard Koop (DUB). Was kosten der Kauf und die Installation der notwendigen Technik, was deren Unterhalt? Wie viele Menschen erreichen wir damit?

Rund 40.000 Euro würde die Anschaffung der erforderlichen Technik und deren Inbetriebnahme in Kremmen kosten, hieß es. Keine Aussage gab es zu Wartung und Unterhalt.

Ob das Angebot angenommen wird, konnte niemand beantworten. Jedoch verwies die Verwaltung auf Vergleichswerte mit anderen Kommunen. So würden in Oranienburg (rund 48.000 Einwohner) durchschnittlich bis zu 100 Personen die Sitzungen verfolgen oder sich später noch ansehen, hieß es.

Das ins Verhältnis zu Kremmen mit rund 7.500 Einwohnern gesetzt, würde zehn bis 20 Zuschauer bedeuten, so Knoop, der infrage stellte, ob sich dafür eine Investition lohnen würde. Außerdem müsse vorher grundsätzlich geklärt werden, ob das Netz tatsächlich auch in allen Ortsteilen ausreiche, um die Sitzungen sehen zu können.

In Hohen Neuendorf ist im neuen Rathaussaal die entsprechende Technik vorhanden. Deshalb sind der zeitliche Aufwand für die Bereitstellung und die weiterhin anfallenden Kosten weitaus geringer. Wie das Angebot dort genutzt wird, beschreibt Stadtsprecher Daniel Dinse: Die durchschnittliche View-Zahl des SVV-Livestreams betrug in diesem Jahr bisher durchschnittlich 46 Personen und ist sicherlich themenabhängig: Mal waren es 79, mal nur 24. Aber auch nachträglich wird noch geguckt: Zwischen 43 und 195 Personen haben sich das Video-on-Demand später angesehen, durchschnittlich 113, so Dinse. Die Sitzungen der Fachausschüsse können in Hohen Neuendorf ebenfalls live verfolgt, aber nicht im Nachhinein abgerufen werden. Von diesem Angebot machten dieses Jahr bis zur Sommerpause durchschnittlich 19 Personen Gebrauch.

Die Stadtverwaltung bemesse den Nutzen nicht nur anhand der konkreten Zuschauerzahl, so Dinse. Insbesondere im Hinblick auf die Corona-Pandemie solle dies eine Möglichkeit sein, die politische Arbeit in den Gremien zu verfolgen und so ein hohes Maß an Transparenz zu gewährleisten. Die Stadt hoffe aber auch, dadurch mehr Menschen für die politische Arbeit in Hohen Neuendorf zu interessieren.

Der zeitliche Aufwand für die Bereitstellung der SVV-Sitzungen auf der Internetseite der Stadt Hohen Neuendorf umfasse etwa eine Stunde im Monat. Die laufenden Kosten betragen laut Daniel Dinse gut 200 Euro pro Monat. Diese umfassen die Bereitstellung von maximal 100 Zuschauerplätzen pro Sitzung sowie den Speicher für die Videos.

Was das Interesse angeht, Politik via Internet zu verfolgen und zu genießen (?), dabei kann keine Kommune im Kreis Velten das Wasser reichen. Die von der Fraktion Pro Velten stammende Idee, die Sitzungen des Stadtparlaments live zu übertragen, wird mittlerweile auch vom Rathaus als „zusätzlicher Kanal zur Demokratiestärkung“ angesehen.

Die Premiere am 11. Februar 2021 stellte einen nicht erwarteten Paukenschlag dar. Es gab 782 Aufrufe, davon 188 zeitgleich. Innerhalb der folgenden zwei Wochen gab es weitere 590 Zugriffe. Zählt man beide Zahlen zusammen, hätten mehr als zehn Prozent aller Veltener diese erste Übertragung via Velten-Kanal von Youtube angeklickt.

Dieser furiose Start ließ sich in der Folge nicht halten. Im Durchschnitt der bisher zwölf übertragenen Sitzungen gab es 204 Livestream-Aufrufe. Im Durchschnitt bleibt der virtuelle Gast 26 Minuten dabei. Die jüngste Sitzung am 28. Juni verzeichnete 70 Aufrufe, in der Spitze zeitgleich 29. Im Nachgang gab es 257 Aufrufe. Da die Aufzeichnung noch bis 13. Juli zu sehen ist, dürfte sich diese Zahl noch erhöhen.

Damit liegt das Interesse in Velten deutlich höher als in Hennigsdorf.Dabei bietet das dortige Rathaus stadtpolitisch Interessierten seit April 2021 noch mehr Service. Neben den Sitzungen des Stadtparlaments (SVV) werden jetzt auch die aller Ausschüsse gestreamt und danach zeitlich begrenzt vorgehalten.

Stadtsprecherin Andrea Linne erklärt das unterschiedlich starke Interesse mit den jeweils behandelten Themen. Spitzenreiter ist bislang die SVV vom 8. Februar 2022 mit 217 Zugriffen. Damals stand das Bürgerbegehren zum Erhalt von Gärten und Garagen auf der Tagesordnung – ein in der Stadt heiß diskutiertes Thema. Für die SVV-Sitzung vom 17. Mai interessierten sich dann nur 40 User. Die Übertragungen der Fachausschüsse erzeugen deutlich weniger Interesse. Dort schauen zwischen fünf und 49 Interessierte zu.

In Oranienburg haben die Zugriffszahlen seit der Premiere am 27. Oktober 2020 mit 283 Zuschauern der Stadtverordnetenversammlung etwas nachgelassen. 176 Personen verfolgten im vergangenen Jahr durchschnittlich die Sitzungen des Stadtparlaments. In diesem Jahr waren durchschnittlich 181 Interessierte dabei. Die Ausschüsse erreichen aber auch beachtliche Klickzahlen. So schauten 2021 durchschnittlich 108 Personen die Hauptausschusssitzungen an. Beim Bauausschuss waren es 107 Menschen. Den Finanzausschuss verfolgten im Durchschnitt 80, den Untersuchungsausschuss 95 Interessierte. Die übrigen Ausschüsse liegen unter diesen Werten. In diesem Jahr liegen die Durchschnittswerte für die Fachausschüsse alle unter 50 Zuschauern.

Die Stadtverwaltung listet genau auf, wie lange zugeschaut wird und wie viele Personen maximal gleichzeitig das Streaming aufrufen. Die Zuschauerzahlen steigen deutlich bei kontroversen Themen oder hoher Betroffenheit, zum Beispiel beim Straßenausbau oder der Feuerwehr. Seit dem Beginn der Live-Übertragung ist die Streitlust in der Oranienburger SVV gewachsen. Manchmal entstehen dabei aber auch Schaudebatte mit den immer gleichen Beteiligten. Schaltet die Kamera im nicht öffentlichen Teil ab, beruhigen sich die Gemüter meist schnell.

Entscheidung vertagt

In Kremmen steht die Entscheidung für oder gegen die Übertragungen noch aus. Obwohl sich die Mehrheit der Abgeordneten „grundsätzlich“ zu der Idee bekannte, wurde das Thema vorerst ad acta gelegt. veb/hw/rol/kd

Kreistag online – die Zahlen

Die Zugriffszahlen auf den Kreistag variieren. Schalteten sich in der Januarsitzung 170 Menschen ein (maximal 40 gleichzeitig) und verweilten durchschnittlich 42 Minuten, waren es im Mai nur 83 Zuschauende, die eine halbe Stunde hängenblieben. Den bisher längsten Kreistag in diesem Jahr (274 Minuten) verfolgten im März maximal 32 Personen gleichzeitig. Am Ende sollten es 142 Streamer sein. Lange blieben die Menschen Ende Juni online: 55 Minuten. Es ging um Schulentwicklung.

Das größte Interesse bestand bei der Vorstellung der Bewerberinnen und Bewerber um den Landratsposten im März. 172 Parallelschauer waren am Start, insgesamt kam die Sitzung auf 786 Interessierte. Maximale Verweildauer: 172 Minuten. win

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Auf dem Land mahlen die Mühlen langsamer… habe ich doch bereits im Jahre 2013 – kurz nach der flächenddeckenden Errichtung von DSL-Internetanschlüsen durch die Telekom in Kremmen – diese Art der Bürgerbeteiligung in der Stadtverordnetenversammlung thematisiert. Ich wurde belächelt.

Ich hoffe jedoch, dass der Druck von den Bürgern erhöht wird und wir nicht erst auf einen echten Generationswechsel im Stadtparlament warten müssen.