Norden wird Wasserstoffland

Heute im OGA:

„09.10.2021 Wirtschaft

Norden wird
Wasserstoffland

Eneuerbare Energien In Uckermark und Barnim drehen sich die meisten Windräder. Die Menschen dort haben wenig davon – das soll sich nun ändern.  Von Ina Matthes

Die Pioniere: Enertrag betreibt in Prenzlau ein Hybridkraftwerk. Das Unternehmen gewinnt mit Hilfe von Windenergie Wasserstoff. Uckermark und Barnim wollen das forcieren.

Monika Skolimowska W

indräder gibt es in Uckermark und Barnim reichlich: 782 Anlagen produzieren dort Strom. Damit ist  in der Landschaft eine Leistung von 1620 Megawatt verteilt – das entspricht der Kapazität des Braunkohle-Kraftwerks Schwarze Pumpe. In den beiden Kreisen zusammen wird fast vier Mal so viel grüner Strom erzeugt, wie von den Uckermärkern und Barnimern samt der heimischen Wirtschaft benötigt wird. Ein großer Teil dieser Energie wird in die Netze eingespeist und abtransportiert. Die Landkreise  beziehungsweise Kommunen haben von ihrer Stromproduktion wenig Gewinn – weder an Steuereinnahmen noch Jobs.

Grüne Pläne: Busse sollen
das Gas tanken
und künftig auch
Müllfahrzeuge.

Das wollen Uckermark und Barnim ändern. Aus Windenergie und Wasser soll grüner Wasserstoff produziert werden. Im Norden Brandenburgs ist vor wenigen Tagen ein Projekt gestartet. „Wasserstoffregion Uckermark-Barnim – H2UB.“ Unterstützt wird es von der Investitionsbank des Landes ILB und dem Wirtschaftsministerium Brandenburgs. 600.000 Euro gibt die Förderbank des Landes, je 100.000 Euro steuern beide Kreise  bei. Damit stehen für zunächst drei Jahre 800.000 Euro zur Verfügung. Das Geld soll für Personalkosten, Mieten, Veranstaltungen, externe Experten verwendet werden. Derzeit sucht die Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim, die das Projekt koordiniert, zwei Mitarbeiterinnen bzw. Mitarbeiter fürs Management. „Es geht darum, eine Wertschöpfungskette zu initiieren, die von der Erzeugung des Wasserstoffes bis hin zu Anwendungen reicht, etwa in der Produktion von Anlagenbauteilen“, sagt Claudia Henze, Leiterin der Planungsstelle. „Wir wollen Interessenten zusammenzubringen, die Teil dieser Wertschöpfungskette werden wollen.“ 

Enertrag stellt Wasserstoff her

Erzeugung von grünem Wasserstoff gibt es in der Region bisher kaum – lediglich das Unternehmen Enertrag betreibt bei Prenzlau ein Hybridkraftwerk mit  Wasserstoff-Elektrolyse. Aber es gibt bald  Abnehmer: Die Barnimer Busverkehrsgesellschaft und die Uckermärkische Verkehrsgesellschaft haben Wasserstoff-Busse bestellt, sagt Claudia Henze. Die Barnimer Busverkehrsgesellschaft will bis Ende 2022 sechs dieser Busse in Betrieb nehmen. Das Land förderte das im Sommer mit 2,7 Millionen Euro. Durch den Nationalpark Unteres Odertal sollen bald zwei dieser Busse rollen. Auch die Kreiswerke Barnim wollen ihre Fahrzeugflotte  umstellen. Der Bau mehrerer Tankstellen sei im Gespräch, sagt Claudia Henze, ein Unternehmen wolle Bauteile für Elektrolyseure herstellen und es gebe erste Ideen, Wasserstoff aus Abwasser zu gewinnen. „Technisch ist das alles erfunden, man muss es jetzt nur mal machen.“  Wasserstoff könnte in die Gasnetze eingespeist werden, kommunale Stadtwerke als Partner angesprochen werden,. So würde Windstrom auch zur Wärmegewinnung genutzt werden. Von dieser Verwendung der Windenergie in der Region versprechen sich die Initiatoren eine höhere Akzeptanz für die Windkraftanlagen in der Region.

Deren Ausbau ist ins Stocken geraten. Zwar stehen derzeit noch 89 Anlagen mit 400 MW vor der Inbetriebnahme, aber ein weiterer Bau von Windkraftwerken ist erst einmal durch ein Moratorium gestoppt. Grund dafür ist eine Entscheidung des Oberverwaltungsgerichtes Berlin Brandenburg. Das Gericht hatte den Regionalplan Windnutzung Uckermark-Barnim für unwirksam erklärt, hauptsächlich aus formellen Gründen. „Das ist höchst bedauerlich“, sagt Claudia Henze. Allerdings seien mit Ausnahme von Wandlitz auch alle Windenergie-Gebiete mit Anlagen gefüllt. In den beiden Jahren, in denen das Moratorium gilt, will die Planungsgemeinschaft den Plan neu aufstellen. Claudia Henze sieht in den sinkenden Grundwasserständen im Land kein  Hindernis für eine Wasserstoffwirtschaft. Es gebe Untersuchungen zu Grundwasserleitern im Barnim, sagt Ralf Christoffers. Der Linken-Politiker gehört dem Vorstand der Planungsgemeinschaft an und ist einer der Initiatoren des Projektes. „Die Wasserversorgung ist sichergestellt.“  Christoffers findet, dass die Wasserstoffwirtschaft über die Lausitz hinaus ausgeweitet werden sollte. Wie die Lausitz so stehen auch Uckermark und Barnim vor einem Strukturwechsel. Ihre Wirtschaft ist mit dem PCK Schwedt als industriellem Schwergewicht stark vom Erdöl geprägt. Wie lange noch?

Ein Überschuss an erneuerbarem Strom

Grünstrom: Vor allem in der Uckermark ist der Überschuss deutlich: 2018 lag der Stromverbrauch im nördlichsten Brandenburger Kreis bei knapp 370 Millionen Kilowattstunden. Produziert wurden 2,7 Milliarden Kilowattstunden – also etwa das Siebenfache. Im Barnim wird etwa das Anderthalbfache dessen erzeugt, was in der Region verbraucht wird. Die Region im Norden produziert laut regionaler Planungsgemeinschaft Uckermark-Barnim mehr Windstrom als die Lausitz. In Brandenburg beträgt die installierte Leistung Windenergie 7,5 Milliarden Megawatt. Das ist mehr als das Doppelte der Leistung von Brandenburgs größtem Braunkohlekraftwerk Jänschwalde. ima“

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