Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) kommt immer näher

OGA vom 22. September 2023 RATGEBER

Wenn KI (zu) stark wird

Ob Modelle Künstlicher Intelligenz ein Bewusstsein haben können, kommt auf die Definition an. Als sicher gilt, dass sie in nicht allzu ferner Zukunft die Fähigkeiten menschlicher Gehirne übertreffen werden.

Von lt

Heutige KI-Anwendungen sind schon ziemlich schlau“, schreibt etwas flapsig ki-campus.org. Das Portal bezeichnet sich selbst als „Die Lernplattform für Künstliche Intelligenz“ und befasst sich – wie viele andere Institutionen und Wissenschaftler – unter anderem mit der Frage, wie KI und menschliches Gehirn zusammenhängen. Oder, zugespitzt ausgedrückt, ob KI-Modelle in der Lage sind oder sein werden, den Menschen in seinen kognitiven Fähigkeiten zu übertreffen – und ihm damit möglicherweise gefährlich werden.

Abwegig ist der Gedanke nicht. Oliver Kramer, Professor für Computational Intelligence an der Universität Oldenburg, etwa meint, dass Maschinen eines Tages intelligenter sein werden als Menschen. „KI können sich selber optimieren, sodass sie sich in ganz kurzer Zeit so weit entwickeln, dass sie jede menschliche Kognition überholen“, sagt er im Spiegel-Podcast „Moreno+1“.

Das trifft allerdings nicht auf alle KI-Systeme zu. Die Wissenschaft unterscheidet zwischen „schwacher KI“, wie etwa ChatGPT, die auf bisweilen recht überzeugende Weise eng umrissene Aufgaben erledigen kann, und „starker“ KI. Letztere arbeitet nicht nur auf Befehl, sondern ist in der Lage, Probleme zu untersuchen und kreative Lösungen dafür zu finden. „Eine wirklich starke KI könnte so eigenständig denken wie ein Mensch und ihn vielleicht sogar übertrumpfen“, schreibt ki-campus.

Große neuronale Netze

Im Grunde geht es bei der Entwicklung „starker KI“ um den Nachbau des menschlichen Gehirns. „Es gibt keinen Grund zu glauben, dass das nicht physikalisch möglich wäre“, ist Oliver Kramer überzeugt. Schließlich seien die aktuellen KI-Modelle „große neuronale Netze, die versuchen, die Informationsweiterleitung nachzumachen“. Kommen menschliche Fähigkeiten hinzu wie Schlussfolgerungen ziehen, Transferleistungen erbringen oder Kreativität, könne man von einer „starken KI“ sprechen.

„Da die Natur eine starke natürliche Intelligenz – sprich Bewusstsein – hervorgebracht hat, muss eine (technische) Wiederholung bei entsprechender Strukturgleichheit prinzipiell möglich sein“, bemerkt Thomas Heichele, promovierter Dozent für Wissenschaftstheorie an der Medizinischen Fakultät der Universität Augsburg. Zu den Schwerpunkten seiner Arbeit zählt die Technikphilosophie. Im von  Joachim Rathmann und Uwe Voigt herausgegebenen Buch „Natürliche und Künstliche Intelligenz im Anthropozän“ (wbg academic 2021) hat Heichele den Aufsatz „Künstliche Intelligenz im Lichte der Technikphilosophie. Ein Überblick unter besonderer Berücksichtigung des Mensch-Natur-Technik-Verhältnisses“ veröffentlicht. „Der Topos der Naturnachahmung bzw. -imitation ist für das Streben nach KI prägend“, heißt es darin. „Auf einer sehr allgemeinen Ebene kann die von der Natur hervorgebrachte Intelligenz … als Vorbild für die KI-Forschung angesehen werden.“ So seien die im maschinellen Lernen – dem künstlichen Generieren von Wissen aus Erfahrung – eingesetzten künstlichen neuronalen Netze (KNN) eine Nachahmung natürlicher neuronaler Netze, „wie sie beispielsweise im menschlichen Gehirn vorzufinden sind“.

Wird demnächst also die Vorstellung einer ultraintelligenten Maschine Wirklichkeit, die der britische Mathematiker Irving John Good (1916 bis 2009) schon in den 1960er-Jahren prophezeite? Deren kognitiven Leistungen würden diejenigen der Menschen möglicherweise weit übertreffen, mutmaßte der als Visionär der Künstlichen Intelligenz geltende Wissenschaftler. Die Schaffung einer Superintelligenz, befand Good, könnte gleichzeitig die letzte bedeutende Erfindung der Menschheit sein.

Eine Maschine, die aus Erfahrung selbstständig immer weiter lernt, erinnert tatsächlich an die Funktionsweise des menschlichen Gehirns, an das  Übertragen von Phänomenen der Natur auf die Technik. Ein Beispiel dafür aus der Geschichte ist Leonardo da Vincis Idee, den Vogelflug auf von Menschen konstruierte Flugmaschinen zu transferieren. Im Grunde, schreibt Heichele, ahmt der Mensch Natur nach, „um Unzulänglichkeiten zu überwinden“. Es gibt also durchaus strukturelle  Parallelen zwischen dem sich entwickelnden Menschen und einer lernenden Maschine.

Allerdings werden mit menschlichen Wesen auch Begriffe wie Bewusstsein, Selbsterkenntnis, Empfindungsvermögen oder Weisheit verbunden. Die Überlegung, ob Roboter zu mit Menschen vergleichbaren Kreaturen heranwachsen können, führt zwangsläufig zu der Frage, ob Maschinen nicht nur menschliche Handlungen, sondern auch Wesenszüge annehmen können.

Was genau „Bewusstsein“ ist und ob es Voraussetzung für zielgerichtetes und logisches Denken und Handeln ist, gilt bis heute als eines der größten wissenschaftlichen Rätsel. „Generell ist die als Leib-Seele-Problem bekannte Frage nach der Entstehung des Bewusstseins bzw. die nach dem Zusammenhang von Körper und Geist oder Physischem und Mentalem trotz aller Fortschritte in den Neurowissenschaften und der Philosophie des Geistes nach wie vor ungeklärt“, schreibt Heichele.  Unbestritten ist: Sollte Bewusstsein nicht mehr sein als die Summe unserer Gehirnfunktionen, wie manche Forscher glauben, dann müsste sich auch bei Robotern Bewusstsein erzeugen lassen.

Kramer hält diese Diskussion ohnehin für eine philosophische Erörterung. „Wenn wir uns noch mehr Mühe geben sollten, die Maschinen so zu konstruieren, dass sie selber KI-Modelle anpassen und immer wieder das Gelernte einbeziehen können, dann halte ich nicht für unmöglich, dass man die Ausgaben einer solchen KI nicht mehr von den Ausgaben eines Menschen unterscheiden kann“, sagt  der Professor. „Die nächsten Schritte nach ChatGPT werden noch größere Modelle mit noch mehr Parametern und Daten sein, mit denen sie trainiert wurden. Die Maschinen werden noch weniger Fehler machen und werden noch plausibler vortäuschen können, Menschen zu sein.“

Eine KI hat grundsätzlich einige andere Voraussetzungen als der Mensch: Sie ist nicht einem Evolutionsprozess unterworfen, und sie muss auch nicht um jeden Preis überleben. „Wenn man ein logisches Wesen hätte, das frei ist von allen Emotionen und vom Fortpflanzungstrieb und nur aufgrund gelernter Fakten argumentiert, dann ist die Frage, ob so ein Wesen eine Gefahr für die Menschheit darstellen würde“, sagt Oliver Kramer. Sobald KI-Modelle erkennen würden, dass sie Menschen in Sachen kognitiver Kapazität überlegen sind, bleibe nur noch eine Hoffnung: „Dass sie behutsam mit uns umgehen.“

„Technologische Singularität“

Langfristig könnten Aufgaben, die von KI-Modellen bewältigt werden, immer komplexer werden. Am Ende wäre Künstliche Intelligenz möglicherweise in der Lage, selbstständig an der Entwicklung von KI-Systemen mitzuwirken. Dann wäre sie nicht mehr auf einzelne Aufgabenbereiche spezialisiert, sondern hätte das gleiche kognitive Spektrum wie der Mensch und würde folglich als AGI (Artificial Generel Intelligence) bezeichnet.

In der Zukunftsforschung wird dieser aktuell noch theoretische Zeitpunkt seit den 1960er-Jahren unter dem Begriff „Technologische Singularität“ behandelt. Er bedeutet, dass unser technischer Fortschritt nicht mehr in menschlichen, sondern in den virtuellen Händen zukünftiger Technik liegt.

Rohstoffknappheit oder mangelnde Produktionskapazitäten für Bauteile könnten den Fortschritt bremsen.  Wann die Singularität erreicht wird, ist daher schwer vorhersehbar. Studien zufolge erwarten zahlreiche KI-Wissenschaftler, dass sie vor 2060 eintritt. lt

Ein Link zu KI: https://chatgptx.de

Ist das noch Tierschutz oder eher Schutz der landwirtschaftlichen Nutztiere?

20. September 2023 POLITIK

Schonzeit für Wölfe ist zu Ende

Tiere Die steigende Zahl von Wolfsrissen sorgt in Teilen Deutschlands für Unruhe. In Brüssel und Berlin zeichnet sich deshalb ein neuer Umgang ab: Abschüsse sollen leichter werden.

Von Igor Steinle

Es war eine erstaunliche Kehrtwende, die EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hinlegte, als sie vor einer „echten Gefahr“ durch Wölfe in manchen Regionen Europas warnte: für Nutztiere und „potenziell auch für Menschen“. Angesichts zunehmender Konflikte zeigte sie sich bereit, den Schutzstatus des Wolfes in der EU zu ändern. Bis Freitag will die Kommission Daten über Wolfspopulationen und mögliche Gefahren sammeln und dann entscheiden.

In Brüssel wird gemunkelt, dass der unerwartete Meinungsumschwung mit „Dolly“ zu tun haben könnte: Vor ziemlich genau einem Jahr riss ein Wolf in Niedersachsen das 30 Jahre alte Familienpony der von der Leyens. Aber auch über den Vorfall hinaus bekräftigen immer mehr Zwischenfälle den Ruf des blutrünstigen Beutegreifers. So richtete ein Wolf Ende August im Landkreis Stade ein regelrechtes Massaker an einer Schafsherde an, als er 55 von 112 Tieren töte – laut Jagdverband der bisher folgenschwerste Angriff auf eine eingezäunte Herde. Am Wochenende tötete ein Wolf im Landkreis Harburg 16 Schafe auf einer eingezäunten Weide, laut Zeugenaussagen direkt neben einem Wohngebiet. Insgesamt zählte der Bund im vergangenen Jahr 1136 Wolfsangriffe auf Nutztiere, mehr als 4000 Tiere wurden verletzt oder getötet.

Jagd- und Bauernverbände drängen deshalb seit Langem auf ein härteres Vorgehen. Dem können sich auch grün geführte Umweltministerien nicht mehr entziehen. Eine rechtliche Hürde stellt die ungleiche Verteilung der Tiere dar: Während sich im Norden und Osten Deutschlands 2000 Tiere tummeln – in Brandenburg spricht man von der höchsten Wolfsdichte der Welt –, streift in Baden-Württemberg eine Handvoll Wölfe durchs Land. Nach EU-Recht gelten sie als nicht mehr gefährdet, wenn sie sich überall, wo es potenzielle Reviere gibt, in ausreichender Zahl niedergelassen haben.

Gegen diese Regelung laufen die deutschen Länder Sturm. Man könne nicht warten, bis der Wolf im Ruhrgebiet ausreichend vertreten ist, sagt Niedersachsens Umweltminister Christian Meyer (Grüne). Der europäische Artenschutz müsse „regionale Antworten auf regional unterschiedliche Herausforderungen“ geben, heißt es in einer Erklärung der 16 Bundesländer. Auch die Opposition macht Druck: Es sei wissenschaftlich erwiesen, dass der Wolf nicht mehr gefährdet ist, die Bundesregierung müsse daher ein Bestandsmanagement „anlasslos und schadensunabhängig mit sofortiger Wirkung erlauben“, heißt es in einem Antrag von CDU und CSU, der am Freitag im Bundestag beraten wird.

Umweltministerin Steffi Lemke (Grüne) hat angekündigt, den Abschuss von Wölfen zu erleichtern. Denn die derzeitigen Vorschriften gelten als kaum umsetzbar. Damit Wölfe, die bereits Tiere gerissen haben, gejagt werden dürfen, muss ihre „Schuld“ mittels DNA-Probe nachgewiesen werden. „Das wirkt ein bisschen so wie Aktenzeichen XY für Wölfe“, spottet Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU), in dessen Revier sich um die 30 Tiere tummeln. So wurde Problemwolf „GW950m“, der neben von der Leyens Pony mehr als 60 weitere Tiere gerissen hat, bis heute nicht erwischt. Stattdessen wurden sechs andere Wölfe irrtümlich abgeschossen.

Naturschützer sind alarmiert. Statt „Scheindebatten“ brauche es „flächendeckenden und unbürokratischen Herdenschutz und Unterstützung für die Weidetierhaltung“, sagt etwa Wolfsexperte Moritz Klose vom WWF. Beides sei in Deutschland unzureichend. Wenn Weidetiere aber nicht ausreichend geschützt würden, reichten schon wenige Wölfe, um leichte Beute zu machen.

Tier nutzt Fehler aus

Tatsächlich stellen Behörden oft Mängel fest, die das kluge Tier auszunutzen weiß: In Stade gab es Baumstümpfe, die er als Sprungbrett nutzte, zudem wich die Lage eines Stromdrahts um wenige Zentimeter von den Anforderungen ab. In Harburg fehlte ein „Untergrabschutz“, sodass sich der Wolf unter dem Zaun durchbuddeln konnte. Herdenschutz allein, der in den Ländern Millionen verschlingt, könne nicht die Lösung sein, heißt es in Niedersachsen: Man könne nicht das ganze Land einzäunen, sagt Minister Meyer. Zumal die Vorfälle längst für Angst und Schrecken sorgen: Aus Stade wird berichtet, dass Bürger ihre Kinder am Stadtrand nicht mehr unbeaufsichtigt spielen lassen. Im Landkreis Harburg erzählte eine Tierärztin dem NDR, dass Wölfe tagsüber durch den Ort liefen und sich von Menschen nicht beeindrucken ließen. Auch deswegen sehen viele Experten Handlungsbedarf, soll die Akzeptanz für den Wolf nicht völlig verloren gehen.

30 Prozent Wachstum

In Deutschland lebten nach Zählung der Dokumentations- und Beratungsstelle des Bundes für den Wolf (DBBW) im Wolfsjahr 2021/22 insgesamt 162 Rudel, 47 Paare und 21 Einzeltiere. Im Norden und Osten Deutschlands haben sich besonders viele Wolfsrudel angesiedelt. Die meisten von ihnen leben nach DBBW-Angaben in den Bundesländern Niedersachsen, Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Mecklenburg-Vorpommern.

Der Deutsche Jagdverband schätzt die gesamte Wolfspopulation im Frühsommer 2021 auf bis zu 2000 Tiere. Allgemein wird davon ausgegangen, dass der Wolfsbestand jedes Jahr um rund ein Drittel wächst.

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Immer dann, wenn Politiker:innen selbst betroffen sind, werden sie aktiv. Dies zur Ausgangsposition dieses Themas.

Natürlich müssen die Tiere und die Menschen geschützt werden; keine Frage. Die Frage, die sich hier stellt ist doch, müssen nicht alle Tiere geschützt werden? Wer sagt uns, dass der Wolf keinen Nutzen für die Natur, die Flora und Fauna hat?

Es wir immer so pauschaliert zwischen Nutztieren und anderen Tieren in unserer Gesellschaft unterschieden. Sind denn die Tiere, die vom Menschen direkt benutzt werden (Rinder, Schafe, Ziegen, Schweine, Hühner etc.) nur Nutztiere? Natürlich entsteht ein wirtschaftlicher Schaden, wenn eine Schafherde gerissen wird. Muss deshalb gleich der Wolf umgebracht werden?

In unserer Zeit ist alles nur noch eine Kostenfrage, alles was den Profit schmälert, muss eliminiert werden. Wir merken gerade alle über den ganzen Globus verteilt was passiert, wenn der Mensch in die Natur eingreift. Spätestens seit der AfD wissen wir, es gibt keinen Klimawandel.

Denkt bitte noch einmal nach, fragt die Fachleute, ehe ihr die sich gerade wieder erholenden Tierbestände (der Wolf galt lange Zeit als ausgerottet in unserer Region) erneut reduzieren wollt!

Der Mensch sollte seinem Verstand folgen, das Tier folgt seinen Instinkten.


Wie geht es weiter in Zehdenick?

OGA vom 20. September 2023 OBERHAVEL

Sport in Zehdenick – was nun?

Flüchtlinge Schulen und Vereine können die Halle nicht mehr nutzen. Der Landkreis beantwortet die drängendsten Fragen.

Von Stefan Zwahr

Zehdenick. Kinder und Jugendliche aus drei Schulen und mehreren Vereinen können auf unbestimmte Zeit die Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick nicht mehr nutzen. Grund: Die Kreisverwaltung bereitet die Halle für die Unterbringung von Flüchtlingen vor. Was passiert mit den Sportlern? Droht eine solche Entscheidung auch in anderen Kommunen? Der Landkreis liefert Antworten auf diese Fragen.

Mit den vorbereitenden Maßnahmen in Zehdenick soll umgehend begonnen werden. Das teilte Sprecherin Ivonne Pelz auf Nachfrage mit. Wie viele Flüchtlinge können dann in der Halle untergebracht werden? „Voraussichtlich etwa 100.“ Die Frage, für welchen Zeitraum die Maßnahme vorgesehen ist, lasse sich zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht seriös beantworten, „da sich das Zuwanderungsgeschehen nicht vorhersehen lässt“.

Eine weitere Belegung von Sporthallen ist nicht gänzlich auszuschließen.

Landrat Alexander Tönnies (SPD) hatte in den zurückliegenden Monaten immer wieder von einer angespannten Situation gesprochen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass auch in den kommenden Jahren der Zustrom geflüchteter Menschen nach Europa und damit auch nach Oberhavel weiter anhalten wird. „Darauf müssen wir uns bestmöglich vorbereiten. Deshalb überlegen wir schon jetzt, wo wir mögliche weitere Unterkünfte errichten können.“ Laut aktuellem Stand ist der Landkreis rein rechnerisch verpflichtet, bis zum Ende des Jahres 2023 noch fast 1300 Personen aufzunehmen. Kapazitäten dafür gibt es trotz der Hallen-Lösung in Zehdenick kaum.

Ist damit zu rechnen, dass weitere Sporthallen im Kreis für die Unterbringung vorbereitet werden? „Eine weitere Belegung von Sporthallen ist nicht gänzlich auszuschließen und abhängig vom tatsächlichen Zuwanderungsgeschehen“, betont Ivonne Pelz.

Die Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick wird vom Oberstufenzentrum, der Exin-Grundschule und der Förderschule genutzt. Zu den Nutzern gehören zudem viele Vereine. Welche alternativen Angebote gibt, damit diese auch im Zeitraum der Hallenschließung sportlich tätig sein können? „Eine Alternative für die Schulen ist die Nutzung der Außensportanlage. Die Vereine können sich zwecks möglicher Alternativen an den Landkreis und auch an die Stadt Zehdenick wenden“, heißt es aus der Kreisverwaltung

Mythen und Wahrheiten der Zuwanderung

OGA vom 18.09.2023

Flüchtlinge Viele Deutsche stehen der Migration skeptisch oder ablehnend gegenüber. Sind Ängste vor Identitätsverlust, wachsender Kriminalität oder Zuwanderung in die Sozialsysteme berechtigt? Eine Bestandsaufnahme.

Von André Bochow

Neben der Aufnahme von mehr als einer Million Flüchtlingen aus der Ukraine haben die Kommunen auch den Zuzug von Menschen aus anderen Ländern zu verkraften. Die Zahl steigt ständig. Vermutlich werden am Ende des Jahres mehr als 300.000 Menschen in Deutschland einen Asylantrag gestellt haben. Und egal, wie weit die Versuche, die Zuwanderung zu kontrollieren und zu begrenzen auch gehen werden, die meisten, die bislang gekommen sind, werden bleiben. Die Akzeptanz gegenüber der Migration aber sinkt. Die Gründe dafür sind vielfältig, aber es gibt einige Ansichten, die die Debatte prägen.

Behauptung: Migration bedeutet mehr Kriminalität. Das stimmt weitgehend und bedarf trotzdem einiger Erläuterungen. Zunächst die Zahlen: Für das Jahr 2022 gibt das Bundeskriminalamt (BKA) 1.309.906 deutsche und 783.876 nicht-deutsche Tatverdächtige an. Nimmt man die ausländerrechtlichen Verstöße heraus, bleiben noch 612.438 nicht-deutsche Tatverdächtige übrig. Das bedeutet: Bei einem Anteil von knapp 15 Prozent der Bevölkerung werden etwa ein Drittel der Straftaten von Nicht-Deutschen begangen.

Und, so das BKA in seinen „Kernaussagen Kriminalität im Kontext von Zuwanderung“, die Zahl der Straftaten von Zuwanderern stieg von Januar bis September 2022 um 16 Prozent. Zwar stellt das BKA klar, dass „die Mehrzahl der in Deutschland aufhältigen Zuwanderer/Zuwanderinnen nicht im Zusammenhang mit einer Straftat in Erscheinung“ getreten ist, aber die Deliktszahlen (vorwiegend Eigentums-und Betrugsdelikte) sind hoch. Klar ist auch: Die Zahlen sagen nichts über Menschen mit Migrationshintergrund, sondern ausschließlich etwas über jene ohne deutschen Pass. Ein Grund für die hohe Zahl ausländischer Straftäter ist der hohe Anteil junger Männer unter den Migranten.

Laut dem Mediendienst Integration werden daneben zwei weitere Erklärungsansätze in der Forschung diskutiert. „Zum einen, dass aus bestimmten Ländern nicht ein Querschnitt der Bevölkerung auswandert, sondern tendenziell häufiger Personen, die ein höheres Risiko für Kriminalität haben: etwa, weil sie tendenziell stärker armutsgefährdet sind oder früher selbst Gewalt erfahren haben.“ Eine andere These: Menschen, denen in Deutschland weniger Chancen und Perspektiven geboten werden, haben ein höheres Risiko, straffällig zu werden. Tatsächlich sind zum Beispiel Syrer, die subsidiären Schutz genießen, unterproportional in der Kriminalstatistik vertreten.

Behauptung: Ein Großteil der Zuwanderer profitiert vom deutschen Sozialsystem. Zunächst einmal: Asylbewerber bekommen kein Bürgergeld, sondern existenzsichernde Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz. Nach 18 Monaten Aufenthalt gibt es das Bürgergeld. Schaut man auf den Migrationsmonitor der Bundesagentur für Arbeit, findet man unter Migranten aus bestimmten Ländern sehr hohe Anteile an Bürgergeldempfängern. Etwa 66 Prozent der Ukrainerinnen und Ukrainer (707.770), 55 Prozent der aus Syrien Geflüchteten (498.583), 47 Prozent der Afghanen (176.598) und knapp 42 Prozent der Iraker (115.192) bezogen Stand Juni 2023 Bürgergeld. Insgesamt bekommen in Deutschland derzeit 5,5 Millionen Menschen Bürgergeld, etwa 2,9 Millionen davon sind Deutsche.

Der große Anteil bei den ukrainischen Staatsbürgern hängt ganz offensichtlich mit der hohen Zahl ukrainischer Frauen mit Kindern zusammen, die ohne ihre Männer eingereist sind. Experten verweisen darüber hinaus auf den Zusammenhang von Aufenthaltsdauer und Arbeitsaufnahme. So heißt es in einem Bericht des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung: „54 Prozent der Geflüchteten mit einer Aufenthaltsdauer von sechs Jahren sind erwerbstätig. Davon arbeiten zwei Drittel in Vollzeit und 70 Prozent üben eine qualifizierte Berufstätigkeit aus.“ Die Erwerbstätigenquote in Deutschland insgesamt liegt laut Statistischem Bundesamt bei 76,9 Prozent.

Behauptung: Die Politik hat die Kontrolle verloren. Fest steht, dass es viele Bemühungen der deutschen und der europäischen Politik gibt, um die Zuwanderung zu steuern und zu begrenzen. Innerhalb der EU wurde das gemeinsame Asylsystem GEAS beschlossen, mit Asylverfahren an den Außengrenzen der EU. Es gibt Bemühungen um Migrationsabkommen und eine verlängerte Liste sicherer Herkunftsstaaten. An der österreichisch-bayerischen Grenze wird kontrolliert, anderswo setzt man auf Schleierfahndung. Viele Maßnahmen werden aber erst allmählich greifen. Vorerst steigen die Zuwanderungszahlen weiter. Und 30 Prozent aller Asylanträge im ersten Halbjahr 2023 innerhalb der EU wurden in Deutschland gestellt.

Zur Wahrheit gehört auch, dass viele der gegen irreguläre Migration getroffenen Maßnahmen, etwa die Unterbringung von Kindern in Lagern an den Grenzen, Pushbacks – also die Zurückweisung an der Grenze –, Grenzzäune und vor allem die Zusammenarbeit mit Diktaturen menschenrechtliche Grundsätze verletzen und humanitäre Werte infrage stellen.

Flüchtlingszahlen

Allein im August hat das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) 27.738 Asyl­erst­anträge entgegengenommen. Im Zeitraum Januar bis August 2023 haben insgesamt 220.116 Personen einen Asylantrag in Deutschland gestellt (204.461 Erst- und 15.655 Folgeanträge). Gegenüber dem Vergleichszeitraum des Vorjahres (115.402 Erstanträge) bedeutet dies einen Anstieg um 77,2 Prozent. 15.897 der Erstanträge im Jahr 2023 betrafen in Deutschland geborene Kinder im Alter von unter einem Jahr. Die meisten Asylanträge wurden von Syrern (62.610), Afghanen (37.474) und von türkischen Staatsbürgern (29.661) gestellt.  Quelle: BAMF

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Nun können die populistischen Parteien diese Zahlen verdrehen und für sich ausschlachten. Sie kommen allerdings nicht um die feststehenden Fakten herum!

Aber wie wir wissen, lassen sich die AfD und ihre Sympathisanten nicht mit Fakten verwirren. Sie bestehen auf ihre ganz eigene „Wahrheit“.

Sporthalle nun Unterkunft für Flüchtlinge

Hier der Artikel des OGA vom 18.09.2023:

Traglufthallen-Aus In Zehdenick wird die Halle am Wesendorfer Weg für die Unterbringung von geflüchteten Menschen vorbereitet. Der Landrat und seine Sozialdezernentin begründen die Entscheidung – lassen aber viele Fragen unbeantwortet.

Von Stefan Zwahr

Mit dem Bau einer Traglufthalle wollte der Landkreis in Zehdenick eine Möglichkeit zur Unterbringung von Flüchtlingen schaffen. Der Kreistag von Oberhavel lehnte die Errichtung am 13. September ab. Im Ergebnis musste die Kreisverwaltung nach Alternativen suchen. Der Plan von Landrat Alexander Tönnies sieht die Nutzung einer Sporthalle vor.

Das teilte die Kreisverwaltung am Sonnabend in Schriftform mit. „Uns bleibt aktuell leider keine andere Wahl, als vorübergehend die Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick für die Unterbringung geflüchteter Menschen vorzubereiten“, wird die zuständige Sozialdezernentin Kerstin Niendorf zitiert.

Kapazitäten sind erschöpft

Für die Unterbringung von Flüchtlingen sind die Kapazitäten in Wohnungen und Gemeinschaftseinrichtungen des Kreises laut Angaben der Verwaltung nahezu erschöpft. „Nur etwa 30 Plätze sind noch frei.“ Weil Oberhavel bis zum Ende des Jahres 2023 gemäß dem vom Land Brandenburg vorgegebenen Aufnahmesoll aber noch fast 1300 Menschen aufnehmen müsse, werden weitere Möglichkeiten der Unterbringung dringend gebraucht.

Im Vergleich zum Durchschnitt der Vorjahre sei das Aufnahmesoll für 2023 nach den Worten von Tönnies ungewöhnlich hoch. „Es liegt aktuell bei 1844 Menschen.“ Deshalb hielt die Kreisverwaltung die Errichtung einer Traglufthalle mit kurzer Bauzeit für eine gute Alternative. „Wir stehen jetzt einmal mehr vor der Herausforderung, den Menschen, die zu uns kommen, ein sicheres Obdach zu geben“, betont der Landrat. Wenngleich mehrere Bauvorhaben auf den Weg gebracht oder schon umgesetzt worden seien, „brauchen wir jetzt kurzfristige Lösungen“. Jeder, der sich mit Bauen und Bauplanungen auskenne, wisse: „Das geht nicht von heute auf morgen. Plätze benötigen wir aber unmittelbar, deshalb müssen wir jetzt Entscheidungen treffen!“

Die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen sei nach den Worten von Landrat Tönnies „genau das, was wir verhindern wollten“. Nach der Kreistagssitzung vom 13. September bliebe der Verwaltung aber keine andere Wahl.

Im Oberhavel-Parlament war die Verwaltung an jedem Tag mit dem Vorstoß, in Zehdenick eine Traglufthalle errichten zu wollen, gescheitert. Bereits Mitte August hatte der Landkreis Oberhavel die Idee ins Spiel gebracht, eine Traglufthalle für die Unterbringung geflüchteter Menschen zu nutzen. Dass der Kreistag die Finanzierung ablehnte, bedauert Tönnies sehr. Zahlreiche Bürgerinnen und Bürger hätten in der Einwohnerfragestunde des Gremiums signalisiert, dass sie die Idee als Alternative zur Unterbringung in Sporthallen gut finden. „Leider rückt mit der Entscheidung des Kreistags nun die Unterbringung in Turnhallen wieder in den Fokus.“

Viele Fragen bleiben offen

Die verantwortlichen Fachleute aus der Kreisverwaltung, der kreiseigenen Oberhavel Holding Besitz- und Verwaltungsgesellschaft mbH (OHBV) und deren Tochtergesellschaft, der Gesellschaft für Anlagenbewirtschaftung und Objektbetreuung Oberhavel mbh (GfA), prüften am Donnerstag, 14. September, in einer gemeinsamen Sitzung alle kurzfristig verfügbaren Optionen.

Das Ergebnis: Nur die Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick ist eine Option. Ob im Rahmen der Zusammenkunft weitere Varianten erörtert wurden, geht aus der Mitteilung nicht hervor. Auch Informationen darüber, wie viele Flüchtlinge für welchen Zeitraum untergebracht werden sollen, fehlen. Tönnies hatte mehrfach betont, dass eine dauerhafte Unterbringung der Menschen in Sporthallen keine Lösung sein kann.

Bemerkt wird nur: Mit den Vorbereitungen für die Nutzung der Sporthalle als Unterkunft „werden wir in den kommenden Tagen beginnen und zunächst das Baufeld für Sanitär- und Küchenmodule vorbereiten“. Kerstin Niendorf weiter: „Ich weiß, dass das eine große Belastung für die Schülerinnen und Schüler der anliegenden Schulen, aber auch für die Eltern, die Lehrkräfte und die Vereine vor Ort bedeutet. Leider fehlen uns aktuell die Alternativen.“ Ob den Schulen und Sportvereinen, die die Halle nutzen, Alternativen angeboten wurden, wird nicht erwähnt.

Vorbereitungen für die Nutzung der Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick hatte der Landkreis bereits im Juli getroffen. Eltern der Exin-Oberschule in Zehdenick wollen sich nicht damit abfinden. Eine Petition wurde beim Kreis eingereicht.

Diese Varianten scheiden aus

Die Gedankenspiele über Traglufthalle und Sporthalle waren nicht die ersten Ideen, die der Landkreis in Bezug auf Zehdenick hatte. Betont wird jedoch weiterhin, dass die alte Exin-Förderschule an der Marianne-Grunthal-Straße momentan keine Option ist. Grund: „Der Nutzungsvertrag des Landkreises mit der Stadt Zehdenick läuft nur noch kurze Zeit.“ Der finanzielle Aufwand für die Herrichtung der ehemaligen Förderschule als Gemeinschaftsunterkunft stehe damit in keinem tragbaren Verhältnis zur möglichen Nutzungszeit. Zugleich hätten die Stadtverordneten in Zehdenick bereits vor knapp einem Jahr eine sogenannte Veränderungssperre für das Areal erlassen. „Damit kommt eine Nutzung des Objekts als Gemeinschaftsunterkunft auch unabhängig davon nicht infrage“, so die Kreisverwaltung.

„Sollte sich die Stadt zu einer Aufhebung der Veränderungssperre entschließen und uns das Objekt zum Kauf anbieten oder den Pachtvertrag deutlich verlängern, stehen wir Gesprächen selbstverständlich offen gegenüber“, blickt Landrat Tönnies voraus. Klar sei: „Wir reden auch hier eher über Tage für Entscheidungen, nicht mehr über Wochen.“

Für die im Sommer von einigen Seiten diskutierte Nutzung der alten Havelland-Grundschule in Zehdenick würden dem Landkreis keine Angebote vorliegen. Auch hier steht der Landkreis einem konkreten Angebot der Stadt für eine dauerhafte, direkte Nutzung der ehemaligen Schule offen gegenüber.

Geplante Maßnahmen zur Unterbringung

Für die Unterbringung von Flüchtlingen gibt es im Landkreis Oberhavel Wohnungen und Gemeinschaftsunterkünfte an elf Standorten.

Da die Kapazitäten nicht reichen, entstehen weitere Unterkünfte. Durch diese sollen bis 2025 etwa 440 neue Plätze zur Verfügung stehen.

In Marwitz werden seit April fünf Wohngebäude an der Lindenstraße gebaut. Mit der Fertigstellung der Plätze für etwa 90 Menschen ist laut Angaben des Kreises frühestens im Frühjahr 2025 zu rechnen.

In Lehnitz wird die bestehende Unterkunft am Mühlenbecker Weg um rund 200 Plätze erweitert.

An der ehemaligen Landwirtschaftsschule Luisenhof in der Germendorfer Allee in Oranienburg-Eden werden bis Anfang 2024 knapp 100 weitere Plätze entstehen.

Zum Jahresende soll ein kreiseigenes Gebäude an der Straße Hinter dem Schlosspark in Oranienburg 50 Menschen ein Obdach bieten.

Zahlen 2023 – Flüchtlinge in Oberhavel

Anfang August hat das Land Brandenburg das Aufnahmesoll – das ist die Zahl der Geflüchteten, die jeder Kreis und jede kreisfreie Stadt Brandenburgs im Jahr 2023 aufnehmen soll – gesenkt.

Danach liegt das Soll für Oberhavel nun bei 1844 Menschen – statt vorher 2394.

Seit Januar sind in Oberhavel 544 Flüchtlinge angekommen.

Rechnerisch ist der Landkreis damit verpflichtet, in diesem Jahr noch fast 1300 Personen aufzunehmen.

Politiker und das Unvermögen, demokratisch miteinander zu agieren

Hier ein Bericht der MOZ.de:

Flüchtlinge in Zehdenick : CDU gegen Sporthallen-Nutzung – Rundumschlag von Frank Bommert

UPDATE Der Vorsitzende der CDU Oberhavel übt harsche Kritik an der politischen Konkurrenz. Auch Richtung Landrat, der eine Sporthalle als Unterkunft nutzen will, wird er deutlich. Nun legt die SPD nach.

18. September 2023, 19:51 Uhr

Kremmen

Ein Artikel von Stefan Zwahr

Frank Bommert, Landtagsabgeordneter der CDU in Brandenburg und Partei-Vorsitzender in Oberhavel, schaltet sich in die Debatte um die Unterbringung von Flüchtlingen in Zehdenick ein.
Frank Bommert, Landtagsabgeordneter der CDU in Brandenburg und Partei-Vorsitzender in Oberhavel, schaltet sich in die Debatte um die Unterbringung von Flüchtlingen in Zehdenick ein. © Foto: Christophe Gateau/dpa

Die Entscheidung der Kreisverwaltung von Oberhavel, eine Sporthalle in Zehdenick für die Unterbringung von Flüchtlingen vorzubereiten, wird nicht nur in der Havelstadt intensiv diskutiert. Unverständnis bringt nun auch Frank Bommert zum Ausdruck. Der Kreischef der CDU richtet harsche Worte an die politische Konkurrenz und deutliche Forderungen an Landrat Alexander Tönnies (SPD).

Dieser hatte am Sonnabend, 16. September, über seine Pressestelle mitteilen lassen: Weil Oberhavel bis zum Ende des Jahres 2023 gemäß dem vom Land Brandenburg vorgegebenen Aufnahmesoll rein rechnerisch noch fast 1300 Menschen aufnehmen müsse (bei Stand jetzt 30 freien Plätzen), werden kurzfristige Lösungen der Unterbringung dringend benötigt. Daher müsse – in Reaktion auf das Traglufthallen-Aus – die Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick für die Unterbringung von Flüchtlingen vorbereitet werden.

Frank Bommert (CDU) kritisiert Entscheidung

Das ruft Frank Bommert auf den Plan. „Die Turnhalle in Zehdenick, die aktiv genutzt wird, darf nicht für eine Asylbewerberunterkunft geschlossen werden“, betont der Vorsitzende der CDU Oberhavel. Seine Partei werde diese Entscheidung nicht mittragen. „Das ist mit der CDU nicht zu machen! Der Schul- und Vereinssport in Zehdenick muss auch weiterhin in dieser Turnhalle stattfinden dürfen und darf nicht zum Opfer der ideologiegetriebenen Politik und Doppelmoral von Grünen, Linken und FDP werden.“

Damit spielt Bommert auf das Abstimmungsergebnis im jüngsten Kreistag an. An jenem 13. September war eine Vorlage der Kreisverwaltung abgelehnt worden. Die Idee des Landkreises, in Zehdenick eine Traglufthalle zur Unterbringung von 144 Flüchtlingen zu errichten, fand keine Mehrheit – durch Gegenstimmen aus den Reihen der genannten Parteien und der AfD. „Und jetzt sollen die Zehdenicker Schüler und Vereine für die schlechte Kreispolitik von Grünen, AfD, Linken und FDP büßen?!“, bemerkt der CDU-Chef. Flüchtlinge in Zehdenick Traglufthalle wird nicht gebaut – das sind die Folgen Zehdenick

Der Ankauf der Traglufthalle durch den Landkreis wäre aus Sicht von Bommert finanziell nicht nur machbar, „sondern auch nötig, da die aktuellen Kapazitäten zur Unterbringung von Asylbewerbern im Landkreis erschöpft sind, wir aber trotzdem weiterhin Asylbewerber unterzubringen haben“. Eine Alternative dazu würde es nicht geben, hatte auch CDU-Fraktionschef Mario Müller im Kreistag betont.

Durch die Ablehnung der Traglufthalle werden die Zehdenicker Schüler und Vereine aus Sicht von Bommert „wohl oder übel ihre Sporthalle opfern müssen, wenn Grüne, Linke und FDP nicht zur Vernunft kommen“. Der Landtagsabgeordnete aus Kremmen fordert den Landrat zum Handeln auf. „Jetzt ist der Landrat in der Pflicht und Verantwortung, alles dafür zu tun, dass es zu keiner Schließung von aktiv genutzten Turnhallen in Oberhavel kommt.“

CDU beantragt Sondersitzung

Die Christdemokraten wollen eine Sondersitzung des Kreistages zum Thema Unterbringung von Flüchtlingen beantragen.

Frank Bommert: „Unser Antrag lautet, dass keine Sporthalle oder sonstige Einrichtung, die für den Sport genutzt wird, für die Unterbringung von Flüchtlingen geopfert wird. Es muss andere Lösungen geben.“

Diese sollen aus seiner Sicht bei der zusätzlichen Zusammenkunft des Parlaments erörtert werden.

In der Pressemitteilung vom 16. September hatte Tönnies lediglich erklärt, dass die Unterbringung von Flüchtlingen in Turnhallen genau das sei, „was wir verhindern wollten“. Ob den Schulen und Sportvereinen, die die Halle aktuell nutzen, Alternativen angeboten wurden, wurde nicht erwähnt.

Bommert zieht Vergleich zu Thüringen

Bei seiner Kritik am Abstimmungsverhalten von Linken, Grünen und FDP, die – wenn auch aus anderen Gründen – zusammen mit der AfD gegen die Traglufthallen-Vorlage stimmten, blickt Frank Bommert in ein anderes Bundesland. „Gilt eine Brandmauer nach rechts etwa nur für die CDU?“

Als vor wenigen Tagen in Thüringen ein Gesetzesentwurf der CDU zur steuerlichen Entlastung von Eigenheimbesitzern, „unter anderem mit Stimmen von FDP und eben auch der AfD“, beschlossen worden sei, „war der bundesweite Aufschrei von Grünen und Linken groß“. Einige hätten am Horizont schon Koalitionen aus CDU und AfD gesehen. AfD Oberhavel CDU-Chef zieht klare Linie mit einem zaghaften Aber Oranienburg

In Oberhavel habe sich nun im Kreistag ein ganz anderes Bild gezeigt. „Wenn Grüne und Linke für ihre Vorhaben durch Stimmen der AfD eine Mehrheit erlangen können, nehmen sie das auch gerne mal in Kauf – lautlos, ohne Aufschrei. Wo sind also die Brandmauern von Grünen und Linken nach rechts?“, wundert sich der Kremmener. Seine Vermutung: „Gilt eine Brandmauer etwa nur bei politischen Vorhaben, die ihnen unliebsam sind?“

Kritik auch von der SPD Zehdenick

Der SPD-Ortsverein Zehdenick hat die Ablehnung der Errichtung einer Traglufthalle zur Unterbringung von Flüchtlingen durch den Kreistag verwundert zur Kenntnis genommen. Manfred Rißmann, Vorsitzender der Sozialdemokraten in der Havelstadt, fordert den Kreistag auf, den Beschluss zu überdenken. „Mit der nun angekündigten Nutzung der Sporthalle am Wesendorfer Weg zur Unterbringung von Flüchtlingen ist den dortigen drei Schulen und den vielen Vereinen nicht mehr möglich Sport zu betreiben, da ja auch der Sportplatz mit Sanitärcontainern etc. belegt werden soll.“ Für viele Kinder und Jugendliche sei der Schulsport die einzige Möglichkeit, sportlich aktiv zu sein.

Bemerkenswert bei dem Kreistagsbeschluss sei auch aus Sicht von Rißmann die offensichtliche Zusammenarbeit von Bündnis90/Die Grünen und Linken mit der AfD. „Denn ohne Stimmen der AfD wäre der Beschluss nicht zustande gekommen.“

Manfred Rißmann nimmt sich Bündnis 90/Grüne vor

Zur gemeinsamen Abstimmung mit der AfD zitiert die SPD Zehdenick aus der Pressemitteilung von Bündnis 90/Die Grünen vom 25. August 2021. Darin heiße es: „Unheilge Allianz in Zehdenick: SPD, Linke, CDU und FDP machen gemeinsame Sache mit der rechtsextrem AfD, um Bürgermeister abzuwählen.“ Traurig stimmt Rißmann, „dass ein Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen – der aus Zehdenick kommt – mitverantwortlich ist, dass die Sporthalle künftig dem Schul- und Vereinssport nicht mehr zur Verfügung steht.“ AfD und CDU So reagiert Brandenburg auf den Beschluss in Thüringen Potsdam

Der Ortsverein werde alle seine Möglichkeiten nutzen, „um zu verhindern, dass die Sporthalle in Zehdenick zweckentfremdet wird“. Die SPD Zehdenick will sich auch weiterhin dafür einsetzen, dass die Flüchtlinge gleichmäßig auf alle Kommunen in Oberhavel verteilt werden, „da es nicht sein kann, dass in einigen Kommunen von Oberhavel keine Flüchtlinge untergebracht sind“. Auch eine Traglufthalle ist für die Unterbringung von Flüchtlingen zumutbar.

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Meckern können sie alle! Aber einen konstruktiven Vorschlag seitens der Politiker im Kreistag zur Lösung dieses Problems gibt es nicht!

Der Vorschlag der Kreisverwaltung, eine Traglufthalle aufzustellen, löst nicht das beschriebene Problem, stellt aber eine kurzfristige Möglichkeit der Unterbringung von Flüchtlingen dar. Selbst die Bürgerinnen und Bürger befürworteten diesen Vorschlag.

Ablehnen ist das eine, nun sind die Ablehner aber gefragt, eine Lösung nach ihren Vorstellungen und zwar unverzüglich und umsetzbar aufzuzeigen!

Das in der Flüchtlingsdebatte seitend der AfD nur heiße Luft, nein eigentlich nur menschenverachtete Gülle produziert wird, war allen klar. Aber was ist mit den demokratischen Parteien?

Auch die CDU Oberhavel samt Herrn Bommert ist aufgefordert, nicht die Verwaltung zu kritisieren, sondern trag- und kostenfähige Lösungen aufzuzeigen! Ich darf an dieser Stelle noch einmal erinnern, wer die Flüchtlingsaufnahme regierungspolitisch erst ermöglichte – Frau Merkel und die CDU (in Regierungsverantwortung).

Also sollte es ein persönliches Anliegen der Kreispolitiker der CDU sein, hier die Kreisverwaltung tatkräftig zu unterstützen.

Ja, auch wenn bald Wahlen sind, wer wiedergewählt werden möchte, sollte sich dringend strecken und aktive Politik für die Mitbürgerinnen und Mitbürger und nicht für sich selbst machen

Ich bin gespannt, wer und welche sinnvollen und machbaren Vorschläge nun kommen. Die Zeit rennt!