Nachtrag zur Sitzung des Kreistages am 16.03.2022

Der OGA hat einen interressanten Artikel am 19.03.2022 zu den Absprachen, die es im Vorfeld der o.g. Sitzung zwischen den demokratischen Faktionen des Kreistages gab, veröffentlicht.

Die Fraktion der AfD kritisiert diesen Umstand deshalb so scharf, weil sie in diese Absprachen nicht involviert war. Ja wie auch? Es ging schließlich um demokratische Fraktionen und nicht um solche, die vom Verfassungsschutz beobachtet werden.

19.03.2022 Region im Blick

Absprachen und ein Geheim-Dokument

Landratswahl Mit ihrer Übereinkunft kürt die Mehrheit der Kreistagsfraktionen den SPD-Bewerber Alexander Tönnies schon vor der Wahl zum Sieger. Ist das unfair den Bewerbern gegenüber? Wir haben uns die Eckpunkte der Vereinbarung angeguckt.

Von Marco Winkler

Absprachen im Vorfeld und ein Geheim-Dokument sicherten Alexander Tönnies (SPD) den Wahlsieg schon vor der Wahl.

Marco Winkler

Niemand lehnt sich allzu sehr aus dem Fenster, wenn er behauptet, Alexander Tönnies (SPD) wird die Briefwahl gewinnen und neuer Landrat von Oberhavel werden. Er hat die meisten Fraktionen auf seiner Seite. Für eine Stimmenmehrheit haben die Fraktionen schon im Vorfeld der Bewerbungsrunde – 24 Frauen und Männer stellten sich im Kreistag vor – gesorgt. Das Dokument, hervorgegangen aus geheimen Absprachen, liegt der Redaktion vor. Doch die Wahlentscheidung ist nicht der einzige Zweck der Vereinbarung.

Es ist ein
demokratisches Ringen um
Mehrheiten. Das
halte ich für legitim.

Alexander Tonnies (SPD)
Landratskandidat

Die AfD-Fraktion zeigte sich im Kreistag entsetzt, dass es Absprachen zwischen den anderen Fraktionen gab. Sie haben davon aus dieser Zeitung erfahren. „Damit degradieren sie alle Bewerber, die sich hier Mühe gegeben haben, zu reinen Statisten“, sagte der Fraktionschef Dietmar Buchberger. „Es ist ein demokratisches Ringen um Mehrheiten“, reagierte Alexander Tönnies eher gelassen auf die Kritik „Das halte ich für legitim in einer Demokratie.“ Mehrere Fraktionen betonten, den Wählerwillen durchsetzen zu wollen. Tönnies holte in der Landratswahl in Oberhavel 64,3 Prozent der Stichwahl-Stimmen, erreicht das Quorum aber nicht.

Wir haben mit
Inhalten Pflöcke
eingeschlagen, die richtungweisend sind.

Enrico Geißler
Linke-Kreisvorsitzender

CDU hat nicht unterschrieben

Das Dokument, über dessen Inhalt vor der Wahl niemand richtig sprechen wollte, ist als „Zielvereinbarung zur Umsetzung von Projekten“ überschrieben. Punkt eins lautet: „Die oben genannten Fraktionen unterstützen den Kandidaten Alexander Tönnies.“ Unterzeichnet haben das Papier die Fraktionen SPD/LGU/Tierschutz, Grüne, Linke und FDP/Piraten – stimmen alle 29 Fraktionsmitglieder für Tönnies, hat er gewonnen. Die CDU fehlt auf dem Dokument. „Wir brauchen keine Vereinbarungen und es gab auch keine Vereinbarungen“, sagte Fraktionschef Mario Müller im Kreistag.

Auf Nachfragen reagierte er so: „Eine Zielvereinbarung wäre für uns unvereinbar.“ Mehrere Beteiligte am Papier sagen, die CDU sei mit vielen Punkten einverstanden gewesen, es habe häufig Konsens gegeben.

CDU spricht sich für Tönnies aus

Die Christdemokraten nominierten im Kreistag dennoch Alexander Tönnies. Andere Bewerbungen seien nicht geeignet gewesen für dieses wichtige Amt. „Wir haben Herrn Tönnies vorgeschlagen, in Bezug auf seine fachliche Qualifikation und seine Ausrichtung für unseren Landkreis Oberhavel. Dies hat er in seiner Vorstellung deutlich rübergebracht. Er identifiziert sich sehr stark mit unserem Landkreis und bringt einen großen Erfahrungsschatz mit“, so Mario Müller. „Es ist für mich selbstverständlich, den Sieger an der Wahlurne nun auch im Kreistag zu bestätigen“, sagte Nicole Walter-Mundt im Vorfeld der Wahl. Damit wird Tönnies als Sieger hervorgehen.

Dass die CDU das Papier nicht unterschrieben hat, mag vielleicht am Unvereinbarkeitsbeschluss liegen, welcher den Chirstdemokraten eine Zusammenarbeit mit der Linkspartei verbietet. Mario Müller sagt: „Ich kann nur unterschreiben, wenn ich 100-prozentig dahinterstehe.“ Viele Punkte seien zudem im Haushalt hinterlegt. Es brauche für eine Wahlentscheidung keine Vereinbarung.

Wurden Posten versprochen?

Bei den Absprachen mit der CDU wurde sich laut Insidern per Handschlag geeinigt. Es gibt Gerüchte, dass der CDU so versprochen wurde, das Finanzdezernat behalten zu können, wenn sich der jetzige Dezernent Matthias Rink verabschieden sollte. Erste Namen für eine Neubesetzung kursieren bereits. Mehrere Mitglieder der CDU sagten, es habe keine Personalabsprachen gegeben und niemand würde einen Landrat wählen, weil Posten eventuell in Aussicht gestellt werden. Ob sich das Gerücht bewahrheitet, könnten künftige Personalentscheidungen vom neuen Landrat und Kreistag offenbaren.

Zurück zum Geheim-Dokument. „Wir haben viele Gespräche mit allen demokratischen Fraktionen geführt, die sich um zentrale Zukunftsthemen drehten“, sagt der SPD-Unterbezirksvorsitzende und Staatssekretär Benjamin Grimm. Die SPD habe diese Gespräche forciert. Grundlage: Tönnies wird Landrat. „Wir müssen gucken, dass wir vorwärtskommen.“ Das Dokument enthält fünf Themenkomplexe. Ein „quid pro quo“ habe es aber nicht gegeben. Er nennt ein zweites Anliegen des Papiers: „Ziel ist es, im Kreistag zu einer besseren Zusammenarbeit zu kommen als bisher.“ Von allen Beteiligten werde die Situation im Kreistag als unbefriedigend wahrgenommen.

Die FDP hat sich schon vor dem ersten Wahlgang klar für Tönnies ausgesprochen. Der Kontakt sei nie abgebrochen. „Es muss darum gehen, dass wir in den nächsten Jahren Gutes bewegen“, sagt Uwe Münchow, Fraktionschef von FDP/Piraten. „Dass man sich da etwas zusichern lässt, ist absolut legitim. Es ist normal, über Inhalte im Vorfeld zu sprechen.“ Auch er will, dass sich im Kreistag etwas ändert. Rückblickend spricht er von einer „Unkultur der Zusammenarbeit mit der Verwaltung“.

Sind die Absprachen unfair den Bewerbern gegenüber? War der Kreistag nur Show? Oder ist das normaler politischer Alltag? Münchow zumindest habe zehn Stunden intensiv alle Bewerbungen gesichtet und mit der Fraktion gesprochen. „Wir haben es uns nicht leichtgemacht.“ Aber es sei unmöglich, sich anhand einer Bewerbung und eines Fünf-Minuten-Redebeitrags zu entscheiden. „Um eine transparente Auswahl treffen zu können, wären ganz andere Formate notwendig. Wir sind keine Vollpolitiker, wir machen das im Ehrenamt.“

Ex-Landratskandidat vermittelt

Enrico Geißler, Kreisvorsitzender der Linken, spricht von einem „guten Zukunftspapier“ der demokratischen Parteien, in dem sich alle Partner wiederfinden. „Wir haben mit Inhalten Pflöcke eingeschlagen, die richtungweisend sind.“ Es gehe um konkrete Politik. Ein offenes Geheimnis ist der durchaus komplizierte Umgang zwischen Linke und SPD in der Vergangenheit. Nun könnte es erstmals zu einer vertrauensvollen Zusammenarbeit kommen.

Dass das funktioniert hat, liegt auch an Clemens Rostock. Der Grüne-Landtagsabgeordnete und ehemalige Landratskandidat hat den Kontakt zu den Linken genutzt. „Das war eine Fortführung meiner Landratswahl-Kampagne“, sagt er. Er wolle sich für eine ökologisch-soziale und vor allem neue Kreiskultur einsetzen, erklärte er sein Engagement für die Zielvereinbarung. Er sieht dadurch die Möglichkeit für einen offeneren Umgang mit Informationen für Kreistagsabgeordnete und mehr Kollegialität zwischen Kreistag und Verwaltung. Das Papier soll auch dafür sorgen, dass es „nicht immer zu Zufallsabstimmungen“ komme.

Das sind die Eckpunkte der Zielvereinbarung

Der Kreis soll künftig die Aufgaben als Zivil- und Katastrophenschutzbehörde „umfassender und konzeptioneller wahrnehmen“. Die Vorbereitung auf Krisensituation soll mehr Raum einnehmen. Für eine „noch bürgerfreundlichere und serviceorientiertere“ Verwaltung soll es als eine Maßnahme kurzfristig Öffnungszeiten an Brückentagen geben.

Für 2023 wird dem Tierschutzverein Oberhavel und dem Gnadenhof Wensickendorf „angeboten, die Finanzierung auf eine Zuwendungsförderung umzustellen“.

Öffentliche Gebäude mit Publikumsverkehr sollen „bedarfsgerechtes freies WLAN“ bekommen.

Für Oberschulen im Kreis wird maximal eine Dreizügigkeit angestrebt. Die Barbara-Zürner-Oberschule in Velten soll zu einer vierzügigen Gesamtschule umgewandelt werden. „Die Errichtung einer weiterführenden Schule im Südkreis (Gemarkung Schönfließ) wird vorbereitet.“ Geprüft werden soll ferner der Neubau der Oberschule in Kremmen als zweizügige Schule sowie ein Oberschulstandort in Oberkrämer. In kreiseigenen Schulen sollen zudem bis Sommer 2024 alle Schüler und Sozialarbeiter ein mobiles Endgerät zur Verfügung gestellt bekommen.

Für Beschäftigte der kreiseigenen Gesellschaften soll eine „gute tarifliche oder sogar übertarifliche Bezahlung“ sichergestellt werden.

Die Leistungen für Kinder und Jugendliche aus dem Sozial- und Jugendamt sollen in einem integrativen Jugendamt gebündelt werden.

Wohnraum: Bis 2024 sollen 50 bezahlbare Mietwohnungen im Kreisgebiet entstehen – vorzugsweise „im Zusammenwirken mit einzelnen Kommunen“.

Angestrebt wird eine dezentrale Sozialleistungsberatung durch freie Träger. Und: „Die Landesfinanzierung vollständig ergänzende Finanzierung von Suchtberatung, Schuldnerberatung und Frauenhäusern wird angestrebt.“

Neue Industrie- und Gewerbeflächen werden als zentralen Anliegen genannt, ein Klimaschutzkonzept soll innerhalb von einem Jahr vorgelegt werden. Noch in diesem Jahr soll ein kreisweites Radverkehrskonzept vorgelegt werden.

Zudem soll der ÖPNV für Schülerinnen und Schüler „günstiger werden“. Unter anderem wird ein beitragsfreier Schülerverkehr geprüft. Die Finanzierung vom Kiezbus (Glienicken, Schildow) soll übernommen werden. red

Landrat in Oberhavel – die Findung ist nicht einfach

Hier eine kurze Zusammenfassung aus dem OGA vom 18.03.2022:

Landrat – breite Mehrheit
für Alexander Tönnies

Wahl Der SPD-Kandidat wird im Kreistag von fast allen Fraktionen für die Briefwahl nominiert. Die AfD kritisiert Absprachen scharf.

Von Stefan Zwahr und Marco Winkler

Eine Überraschung blieb aus: Alexander Tönnies (SPD), der als klarer Favorit für die Nachfolge von Landrat Ludger Weskamp gilt, erhielt am Mittwochabend während der Sondersitzung des Kreistages viel Zuspruch. Sein Sieg bei der nun anstehenden Briefwahl der Abgeordneten scheint nur Formsache. „Ich freue mich natürlich über die breite Unterstützung, nehme es aber nicht auf die leichte Schulter“, sagte der Hohen Neuendorfer. Aber auch jetzt gelte es, die Wahl abzuwarten.

24 Bewerber (darunter vier Frauen) hatten sich im Rahmen der vierstündigen Veranstaltung vorgestellt. „Wer Politiker wurde, um unterschiedliche Menschen zu treffen, hat eine Fülle davon erleben dürfen“, bemerkte der Kreistagsvorsitzende Dr. Wolfgang Krüger (CDU). Es sei alles andere als eine zähe Veranstaltung gewesen. „Eine bemerkenswerte Sitzung.“

CDU-Fraktionschef Mario Müller bedankte sich wie die anderen Fraktionen beim Bewerberfeld. Jeder sei ein Spezialist auf seinem Gebiet. Er ermunterte die Bewerberinnen und Bewerber aus Oberhavel, sich weiter zu engagieren. Damit sprach er auch Leute wie die Oranienburger Rechtsanwältin Ines Haußmann, Verwaltungsfachwirtin Stephanie Amelung (arbeitet im Rathaus Velten), Sascha Jahn aus Schildow (25 Jahre Verwaltungserfahrung bei der Polizei) oder Lutz Jurkitsch aus Birkenwerder an, der im Bundesministerium des Inneren arbeitete. Sie alle wussten, dass es während der Sitzung nicht zu Wahl kommen würde. Grund: 17 Abgeordnete verfolgten die Veranstaltung im Livestream. Eine geheime Wahl war daher nicht möglich. Das Feld der Bewerber wurde reduziert. Nach der Vorstellungsrunde oblag das Vorschlagsrecht, welche Bewerberinnen und Bewerber auf dem Stimmzettel für die Briefwahl landen, den Fraktionen.

Es gab eine breite Mehrheit für Alexander Tönnies. Uwe Münchow (FDP/Piraten) betonte, dass er von einem Landrat Überparteilichkeit erwarte. Tönnies habe, „auch als Sozialdemokrat, unser Vertrauen verdient“. „Die Linke unterstützt das Votum der Bürger“, so Elke Bär. Dieses wollte auch die SPD/LGU/Tierschutzpartei nicht ignorieren. Sabine Fussan: „Deutliche 64 Prozent der Wähler haben sich für Tönnies ausgesprochen. Ihre Stimmen haben Gewicht.“

Aussagen, die Dr. Dietmar Buchberger (AfD) missfielen. „Die Wähler haben entschieden. Sie haben niemanden gewählt“, interpretierte er die Stichwahl. Tönnies ging aus dieser als klarer Sieger hervor – verfehlte aber die nötige Stimmenzahl, die 15 Prozent der Wahlberechtigten umfasst. Damit sei das Verfahren neu eröffnet worden. „Der Kreistag ist nicht der Ersatzmann für den Wähler.“

Noch deutlicher kritisierte der Hennigsdorfer, dass es im Vorfeld intensive Gespräche zwischen Fraktionen gab, um eine Mehrheit für Tönnies zu generieren. Im Ergebnis dieser Aussprachen entstand ein mehrseitiges Dokument, das der Redaktion vorliegt. In dieses flossen für die Wahl von Tönnies Forderungen anderer Fraktionen ein. Es geht um Themen wie Digitalisierung, sozialen Wohnungsbau und Bildung. „Bevor die Bewerber hier sind, treffen sie Absprachen und kungeln alles im Hinterzimmer aus. Damit degradieren sie alle Bewerber zu reinen Statisten.“ Davon zeigte sich auch Mike Abé bitterlich enttäuscht. Der Oranienburger gehörte zu den Bewerbern und vermisste die Chancengleichheit.

Kommentar und Seite 3

18.03.2022 Oranienburg/Leegebruch

Die Kandidaten

Landratswahl 24 Männer und Frauen, die sich für das Spitzenamt in der Kreisverwaltung beworben haben, stellten sich im Kreistag vor. Auszüge aus den Bewerbungsreden.

Von Marco Winkler und Stefan Zwahr

Sie alle wollten Landrat oder Landrätin werden. Alle 30 Bewerber bekamen die Chance, sich im Kreistag vorzustellen. 24 nutzten sie.

.

MIKE ABE

Der Vater (47) einer Tochter wurde in Jena geboren, zog 1999 nach Berlin und ist seit 2012 Oranienburger. Das bisherige Arbeitsleben verbrachte Abe in verschiedenen Unternehmen. Seine Themen dabei: Digitalisierung, IT, Organisation. „Ich bin in der Lage, mich schnell in neue Gebiete einarbeiten, auf Entscheiderebene kommunizieren und Mitarbeiter motivieren zu können.“ Er scheue sich nicht davor, Aufgaben in schwierigen Situation anzunehmen. „In der Region bin ich stark vernetzt.“ Sein Ziel sei es, Lösungen über Parteigrenzen hinweg zu finden. „Auf eigene Initiative und Kosten habe ich in Schulen dafür gesorgt, dass E-Learning-Lösungen zum Einsatz kamen.“

STEPHANIE AMELUNG

Die Veltenerin (35, verheiratet, zwei Kinder) ist Verwaltungsfachwirtin, absolvierte ein Teilzeitstudium in Rechtswissenschaften und arbeitet im Rathaus Velten. Ihre Eckpunkte: Umwelt, Kinder, Bildung. „Man muss das Rad nicht immer neu erfinden.“ Wichtig sei Weiterentwicklung. Es sei ihr eine Herzensangelegenheit gewesen, im Bewerberfeld weibliche Führungskräfte zu vertreten und „die Fahne hochzuhalten, dass Frauen auch den Mut aufbringen sollten, sich in Führungspositionen einbringen zu wollen“. Sie positionierte sich auch zu Windkraftanlagen. Der Ausbau sei „existenziell wichtig“.

DR. SAIT BASKAYA

In seiner Bewerbungsrede blieb er Angaben zu seiner Person schuldig. Auf Nachfrage war zu hören, dass Baskaya im Stadtbad Aachen Führungsfunktionen übernahm. Im Rahmen seiner Vorstellung setzte er sich lange mit dem Satz „Das haben wir schon immer so gemacht“ auseinander. Die am Quorum gescheiterte Wahl habe gezeigt, dass sich etwas verändern muss. „Wir haben die Möglichkeit, einen Neuanfang zu wagen.“ Ein regional verwurzelter Landrat kenne sicherlich die Probleme, „die es schon gestern gab“. Viele Probleme würden aber von außen kommen. „Warum sollte der neue Landrat dann nicht auch von außen kommen?“

CHRISTOPH GÜNTHER-SKORKA

Seit fünf, sechs Jahren wohnt der Berliner in Liebenwalde. Er ist 36 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Er war unter anderem im Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf tätig, im Bereich der Baum- und später Spielplatzkolonne. Der staatlich geprüfte Wirtschafter war Abteilungsleiter der Objektbetreuung in dem privatwirtschaftlich geführten Unternehmen der Kommunal- und Industrieservice GmbH Eberswalde, das später vom Kreis Barnim aufgekauft wurde. Der Grund seiner Bewerbung? „Ich suche für mich einen neuen Lebensmittelpunkt in meinem Wahlheimatlandkreis, um dort tätig zu werden.“

INES HAUßMANN

Die 42-Jährige lebt in Hennigsdorf und arbeitet als selbstständige Rechtsanwältin in Oranienburg. Sie studierte Jura an der Humboldt-Universität Berlin und arbeitete bereits in Kanzleien in Berlin und Fürstenberg. „Meinen Landkreis Oberhavel“ kenne sie aus beruflicher und privater Hinsicht. Nun sei der Zeitpunkt gekommen, weitreichendere Aufgaben übernehmen zu können. „Ich hegte früher schon Ambitionen, in Verwaltung zu wechseln.“ Dort wolle sie ihr juristisches Wissen gern einbringen. Da Haußmann lange in Sachsenhausen lebte, engagierte sie sich in der BI Am Park. Bewerbungen von unabhängigen Kandidaten ohne Parteibuch halte sie für wichtig.

STEFAN HILLENBACH

Er stellte sich als evangelisch vor, lebt seit 1994 mit seiner Frau in Friedrichthal, gemeinsam hat das Paar eine Tochter. Wir würden eine Zeit erleben, in der sich Menschen ängstigen und um die Zukunft sorgen. „Ein Umdenken findet statt. Klimawandel und Artensterben zwingen uns aus der Lethargie heraus und fordern uns zum Handeln auf.“ Er präsentierte Vision von einem diversen, gut angebundenen, naturnahen Oberhavel. Er erlaubte sich auch einen Patzer: „In Oranienburg gibt es nicht einen einzigen Bioladen und keinen vernünftigen Wochenmarkt.“

BARBARA HOIDN

Die Berlinerin ist Architektin und Stadtplanerin. „Das mache ich seit über 30 Jahren und habe ein eigenes Büro.“ Stadtplanung sei eine Herausforderung, die damals Berlin zu bewältigen hatte. Nun habe sich die Thematik längst auf andere Regionen ausgeweitet. Auch in Oberhavel müssten die Weichen in Bezug auf Mobilität, Klima und Infrastruktur gestellt werden. „Die Frage ist, wie wir Chancen als Metropolenraum nutzen.“

NINO HUNGER

Er ist 43 Jahre alt, kommt ursprünglich aus Nordhausen in Thüringen und lebt in Berlin Spandau. Er stellte sich als Lehrer und „parteilos, aber seit der Jugend engagiert“ vor. Sowohl in Einsätzen als auch in der Berliner Start-up-Szene habe er gelernt, einen kühlen Kopf zu bewahren. Er möchte Deutschland dienen, ohne Hast vorwärts, aber mit Schwung, zitierte er Angela Merkel.

NIKOLAI JAKLITSCH

Er ist 41 Jahre alt, nicht verheiratet, kinderlos. Derzeit noch wohnhaft in Berlin, bekleidet er eine leitende Funktion im Bereich Softwareentwicklung. Als Mensch mit Behinderung sei ihm „Digitalisierung ein Anliegen als Mittel der Teilhabe.“ Schwerpunkte für Oberhavel: digitale Bildung. Chancen: über neue Arbeitsmodelle nachdenken.

SASCHA JAHN

Als eine seiner Kernkompetenzen bezeichnet er Personalführung und Vernetzung – mit 25 Jahren Verwaltungserfahrung bei der Polizei. Der 45-Jährige – dessen Frau eine Praxis in Kremmen betreibt – wurde in Berlin geboren, wuchs im Friedrichshain auf und zog vor zwölf Jahren nach Schildow. „Ich habe zwei zauberhafte Kinder und verbringe viel Zeit in der Natur.“ Der Diplomverwaltungswirt engagiert sich im Kita- und Elternbeirat Mühlenbeck. Pandemie und Flüchtlingswelle wären die aktuellen Herausforderung, zudem werfe die Altersstruktur der Verwaltung eine Vielzahl von Problemen auf, die zu bewältigen sind. „Der Landkreis ist meine Heimat. Ich will mich einbringen und Verantwortung übernehmen.“

LUTZ JURKITSCH

Der 41-Jährige ist verheiratet und hat drei Kinder. Er lebt mit seiner Familie in Birkenwerder, ist Diplom-Verwaltungswirt und hat im Bundesministerium des Inneren gearbeitet. Er sei kein „leichtfüßiger Glücksritter, der auf Jobsuche ist“. Im kommunalen Bereichen stünden große Aufgaben an: Digitalisierung, Gastronomie, Wirtschaft. Gerade in Hinblick auf mehr als zwei Jahre Pandemie. Eine „auseinandergedriftete Gesellschaft“ zusammenzubringen, sei eine Mammutaufgabe. Als Berufspendler wünscht er sich eine engere Taktung der S1 und eine Verdichtung im nördlichen Raum.

ROMAIN JEANNOTTAT

1963 in der Schweiz geboren, wuchs er seit dem sechsten Lebensjahr in Deutschland auf. Zunächst in NRW, dann in Berlin. Dem Politik- und Jurastudium in Berlin schloss sich ein Ökonomiestudium in Paris an. „Ich bin eng mit der Region verbunden“, versichert der Familienvater. Durch die Nähe zu Berlin und den Norden, „der eher dünner besiegelt ist“, befinde sich Oberhavel in einem Spannungsfeld. Zum Anforderungsprofil: Der Landrat mache nicht die große Politik, müsse vielmehr die verschiedenen Interessen und Wünsche in Übereinstimmung bringen können. Berufserfahrungen sammelte Jeannottat „als führender Kader größerer Verwaltungen“.

ULRICH KIERSCH

59, evangelisch erzogen, aber „nicht der Kirchgänger“ – so startete sein Statement. Aufgewachsen ist er in Potsdam. Nach der Wende machte er sein Hobby zum Beruf: Fotografie, Zeitungsschreiben. Seit über 21 Jahren ist er als Physiotherapeut tätig. „Ich schätze die Demokratie. Dass man etwas mitwirken kann.“

MICHAEL KIEFERT

Der Hennigsdorfer machte zuletzt immer wieder diese Erfahrungen: Eine sehr große Gruppe der Gesellschaft – auch Teile seines Kollegen- und Bekanntenkreises – fühle sich „von denen da oben“ im Stich gelassen, werden politikverdrossen, radikalisiere sich sogar. Er habe lange das Gespräch gesucht, um zu merken: „Dir gehen die Argumente aus“. Daher wolle er es nun selbst in die Hand nehmen. „Ich bin überzeugter Humanist und Demokrat und habe kein Parteibuch, das mich in eine Richtung knebelt.“ Der gebürtige Hennigsdorfer (Jahrgang 1973) ist freiberuflicher Lichtgestalter.

MICHAEL KRAUßE

Welcher Aspekt im Amt würde ihm schwerfallen, kam als Nachfrage aus dem Plenum. „Das Tragen einer Krawatte“, lautete die Antwort des Oranienburgers. Dieser ist verheiratet, hat zwei Kinder, wuchs in Rechlin an der Müritz auf und bezeichnet Oranienburg seit sechs Jahren als seine Heimat. Nach der Wende sei er bei der Bundeswehr geblieben, erwarb unter anderem Abschlüsse als Bürokaufmann und Industriemeister für Kraftverkehr. Bis hin zum Truppenoffizier durchlief er alle Ebenen – um schließlich im Bundesministerium als Referent im Führungsstab der Streitkräfte zu landen.

ALEXANDER LÖWE

Aktuell arbeitet der 41-jährige Familienvater mit drei Kindern aus Birkenwerder in der Denkmalschutzbehörde in Berlin-Kreuzberg. Er ist Vermessungstechniker und Diplom-Restaurator und zudem Vorstand der Nordbahngemeinden mit Courage und der Waldschule Briesetal. Als Jäger setze er sich für Waldpädagogik und Naturschutz ein,  sei in der Region gut eingebunden und wolle seinen Beitrag zu einer solidarischen Gesellschaft leisten. Als eine der Schlüsselpositionen des Landrates sieht er die Aufgabe an, „jüngst entstandene Gräben zuzuschütten“. Und: „Technisch gibt es im Landkreis Nachholbedarf.“ Durch die Flüchtlingsbewegung werde deutlich, dass Verwaltung „schneller und anpassungsfähiger“ werden muss.

CHRISTOPH MEIER

„Ich bin der Mann mit dem neuen Besen in der Hand, der weiß, wie das echte Leben schmeckt.“ Der jahrzehntelange Unternehmer und „Handwerker aus ihrer Mitte“ war Küchenchef in der schweizerischen Botschaft. „Ich in ein Kümmerer, der Verantwortung lebt und hinter seinen Mitarbeitern steht. Ein verlässlicher Partner für die Bürger zu sein, ist mein erklärtes Ziel. Ich stehe für OHV: Offenheit, Herz und Verstand.“

MAIK POGODA

Der 56-jährige lebt seit fast 35 Jahren in Oranienburg. Politisch interessiert: ja. Partei: nein. Er ist Diplom-Ingenieur und Kaufmann, hat für Unternehmen der IT- und Kommunikationsindustrie gearbeitet. Er ist Gründungs- und Kuratoriumsmitglied der Bürgerstiftung Oranienburg, hat für den Erhalt des Runge-Gymnasiums gekämpft. Damals wie heute stehe im Vordergrund, dass immer mittel- und langfristige Ziele im Blick stehen müssen. Er hält es für fahrlässig, dass Brandenburg keine beziehungsweise wenige Mittel aus dem Digitalpakt abgerufen haben. „Wir verlieren Boden im internationalen Vergleich.“

STEFAN RECKIN

Der Maschinen- und Anlagenmonteur wurde in Eberswalde geboren („Mein Elternhaus steht in Schorfheide“), ist studierter Diplomwirtschaftsingenieur, arbeitete in der Privatwirtschaft, war selbstständig im Finanzwesen. Mittlerweile lebt Reckin in Großwoltersdorf und arbeitet seit 2008 für das Jobcenter Oberhavel. In den anderthalb Jahren als Mitarbeiter im Außendienst habe er prekäre Lebenssituationen gesehen, „aber auch Menschen, die aus diesem Teufelskreis entkamen“. Nun ist der Bewerber Fallmanager in der Außenstelle Gransee. Aufgaben als Landrat? An der Digitalisierung führe kein Weg vorbei, an Bildung sowieso nicht.

FRANK STEFFENS

Seit 22 Jahren ist er in Stadtverwaltungen tätig: Mainz, Potsdam, Wolfenbüttel. Er schloss ein berufsbegleitendes Studium der Wirtschaftswissenschaften ab. „Ich muss mir selber eingestehen, in dieser Zeit habe ich keine großen Karrieresprünge gemacht“, sagte der 54-jährige Bauingenieur. Straßenbau, Friedhofsbau, Abwasserwirtschaft und Mobilität zählten unter anderem zu seinem Aufgabenbereich. Wie würde er die Aufgaben als Landrat skizzieren? Ein Landrat sei in erster Linie ein Dienstleister für Kreistag und Bürgerschaft.

ALEXANDER TÖNNIES

 „Verwaltung habe ich in vielen Facetten erlebt. Ich habe Sachbearbeitung und Führungsverantwortung gelernt und angewandt.“ Nun kenne er seit sechs Jahren die Aufgaben und Herausforderungen der kommunalen Arbeit. „Es sind fast immer wir vor Ort, die Entscheidungen umsetzen und erklären müssen, sind dafür aber auch mit einem großen Entscheidungsspielraum ausgestattet. Wir haben die Chance, das Leben vieler zu gestalten.“ Wichtig sei, diese Aufgaben viel umfassender und besser darzustellen. „Wir sind der Maschinenraum, die Herzkammer und das Gehirn gelebter Demokratie. Die unmittelbare und konkrete Verantwortung haben wir. Hier wird aus abstrakten Forderungen konkretes Handeln.“ Er wünsche sich, dass die Stärken des Landkreises ausgebaut werden. Tönnies bemerkte zudem, die kommunale Familie des Landkreises noch mehr zusammenführen zu wollen.

ADRIAN WERNICKE

Mit 31 Jahren – ausgebildet als Kaufmann im Bezirksamt Berlin-Pankow, aktuell im Jugendamt dort tätig – hat er Verwaltungserfahrungen in der Tasche. Politisch müsse die Infrastruktur vorangebracht werden, vor allem der ÖPNV. Er selbst sei Jahre mit der Bahn nach Berlin gefahren: „Es war eine Katastrophe.“

DR. PETER ZEITLER

Der frühere Bürgermeister von Coswig bezeichnet sich als wertkonservativ. Das Zeitmanagement ließ nicht zu, dass er seine fünf Themenschwerpunkte nennen konnte. Eine wöchentliche Besprechungsrunde mit den Dezernenten schwebe ihm vor, so der 1958 in Aschaffenburg geborene Rechts- und Politikwissenschaftler.

JANINA ZUDSE

Die 30-Jährige wohnt mit Partner und zwei Söhnen in Schmachtenhagen. 2020 sei sie aus Berlin rausgezogen. Sie ist studierte Maschinenbauingenieurin und war bei Siemens tätig. Für eine Landrätin seien drei Eigenschaften wichtig: Glaubwürdigkeit, Zielstrebigkeit, Teamfähigkeit. Sie befinde sich in der immer größer werdenden Gruppe zugezogener junger Familien. Jung und Alt gelte es zu verbinden, Brücken zu bauen. Sie setzt auf den Teamgedanken. „Durch langjähriges Ehrenamt und soziales Arbeiten in meiner Freizeit“ konnte sie diese drei Punkte anwenden. Sie wolle Wirtschaft, Mobilität, Tourismus vorantreiben und sich lokalen sowie globalen Herausforderungen stellen.