Und wieder ist es Velten….

OGA vom 09. Dezember 2023 OBERHAVEL

Bürgermeisterin Ines Hübner beleidigt und bedroht

Extremismus

In einem Beitrag des als rechtsextrem eingestuften Magazins Compact wird Velten als Hort einer von Ausländern initiierten Kriminalität dargestellt.

Von Roland Becker

Dass Stadtverordnetenvorsteher Marcel Siegert (Pro Velten) und Bürgermeisterin Ines Hübner (SPD) eine gemeinsame Erklärung verfassen, ist ein fast einmaliger Vorgang. Genau das ist am Donnerstagabend  geschehen. Die Sitzung des Stadtparlaments von Velten begann außergewöhnlich.

Siegert kündigte einen ungewöhnlichen Schritt an, für den er die Öffentlichkeit ausschließen müsse. Als die Sitzung nach etwa 15 Minuten öffentlich fortgesetzt wurde, erfuhr diese Öffentlichkeit aber nicht, was inzwischen beraten und beschlossen wurde.

Wir verschließen in unserer Stadt nicht die Augen vor Gewalt.

Nach Informationen dieser Redaktion sollen Mitarbeiter des Magazins Compact zur Stadtverordnetenversammlung gekommen sein, um dort Aufzeichnungen – etwa per Video, Foto oder Ton – zu fertigen. Siegert hatte dies zuvor erfahren und sich mit der Bürgermeisterin vor der Sitzung über ein gemeinsames Vorgehen abgestimmt. Demnach beschlossen die Abgeordneten nichtöffentlich, dass an diesem Abend die Geschäftsordnung dahingehend ausgesetzt wird, dass keine Aufnahmen getätigt werden dürfen. Dem sollen alle anwesenden Stadtverordneten außer Robert Wolinski (Die Heimat/früher NPD) und den zwei AfD-Abgeordneten zugestimmt haben.

Zeitgleich mit dieser Unterbrechung erreichte die Medien besagte gemeinsame Erklärung. Darin heißt es: „Veltens Stadtverordnetenvorsteher Marcel Siegert und die Bürgermeisterin der Stadt, Ines Hübner, verwahren sich mit äußerstem Nachdruck gegen die jüngsten medialen Darstellungen unserer Stadt als Schwerpunkt der Jugendkriminalität. Hier wird gezielt eine Hetzkampagne initiiert, die sich gegen die Stadt Velten, in Persona gegen die Bürgermeisterin, richtet.“

Erwähnt wird, dass es bereits Gewaltandrohungen gegen die Bürgermeisterin gegeben habe. Nach Recherchen dieser Redaktion soll sie zahlreiche Anrufe bekommen haben, in denen sie beleidigt und bedroht wurde. Dabei sollen sinngemäß Sätze wie „Wenn Sie gesund bleiben und länger leben wollen, sollten Sie ruhiger auftreten“ gefallen sein.

Dass Compact auf Velten aufmerksam wurde oder gemacht worden ist, steht in Zusammenhang mit Anträgen der AfD. Diese nutzt seit Monaten tatsächliche und angebliche Gewalttaten, um im Stadtparlament Stimmung gegen Migranten zu schüren.

In dem Compact TV-Beitrag wird Velten als Hort einer von Ausländerbanden initiierten Kriminalität dargestellt. Siegert und Hübner schreiben dazu: „Der Beitrag über Velten in einem als rechtsextrem vom Verfassungsschutz eingestuften Propaganda-Medium arbeitet mit Täter-Vorverurteilungen, Mutmaßungen, Falschaussagen, Übertreibungen, Bedrohungen, mit aus dem Zusammenhang gerissenen städtischen Videobeiträgen ohne Quellenangaben.“

Es entstehe der Eindruck, Veltens Bahnhof sei ein Kriminalitätshotspot. Das entspreche nicht der Wahrheit. Dabei erwähnen beide in ihrem Schreiben durchaus, dass in 2023 bei der Polizei einzelne Anzeigen wegen räuberischem Diebstahl und Körperverletzung unter Jugendlichen gestellt wurden. Vereinzelt sei es darüber hinaus zu Auseinandersetzungen gekommen, die nicht angezeigt worden sein sollen.

Zu diesen Vorfällen hatte erst im November Hennigsdorfs Polizeichef Stefan Boye im Ausschuss für Sicherheit und Ordnung detaillierte Angaben gemacht. Außerdem ging er auf die Kriminalitätsstatistik in Velten bis Oktober 2023 ein, die auf Grundlage der angezeigten Straftaten keine Häufung von Raub und Gewalt aufweist.

Siegert und Hübner verwahren sich dagegen, „aus diesen Vorfällen eine Gefährdung der inneren Sicherheit abzuleiten. Vielmehr gefährden die medialen Darstellungen unsere Stadtgemeinschaft und fördern – wie man sieht – die Gewaltbereitschaft.“

Selten hat sich Marcel Siegert so deutlich von aus rechter Gesinnung heraus Angst schürenden Kreisen abgegrenzt wie mit diesem Brief. Gemeinsam mit der Bürgermeisterin erklärt er: „Wir sind entsetzt und erschüttert, wie mit plumpen Propaganda-Methoden gegen Menschen gehetzt und der Ruf unserer Stadt nachhaltig geschädigt wird – und das von rechtsextremen Parteien zu Wahlkampfzwecken.“ Diese Kreise nutzten ausdrücklich die Ängste von Eltern, deren Nachwuchs Opfer einer Straftat wurden, um diese Ängste zu instrumentalisieren.

Für wie brandgefährlich für die Demokratie in Velten die beiden wichtigsten Politiker der Stadt die Compact-Beiträge halten, lässt dieses Statement erkennen: „Wir distanzieren uns ausdrücklich von menschenverachtenden, hasserfüllten und Angst schürenden Darstellungen, die den Boden unserer freiheitlichen Grundordnung verlassen.“

Persönlich fügt Siegert hinzu, dass „es völlig egal ist, woher der Mensch kommt, der einem anderen Leid antut“. Gewalt sei grundsätzlich und nicht nach Herkunft zu verurteilen. Für ihn sind „unser Bahnhof und unsere Stadt alles andere als ein Kriminalitätsschwerpunkt“.

Die Bürgermeisterin sichert zu, dass sie die Vorfälle und die daraus resultierenden Ängste der Eltern sehr ernst nimmt. Das Geschehen werde weiter gemeinsam mit Polizei und Jugendsozialarbeitern beobachtet. Man werde tätig, wenn Fakten vorliegen, nicht aber, wenn Gerüchte gestreut werden.

Beide schließen ihre Erklärung mit dem Statement: „Wir verschließen in unserer Stadt nicht die Augen vor Gewalt – egal, von wem sie begangen wird. Aber wir tolerieren auch keine Ausländerfeindlichkeit und Hetze.“

Laut Wikipedia werden in den Compact-Publikationen regelmäßig verschwörungstheoretische, geschichtsrevisionistische und antisemitische Inhalte verbreitet. Seit Dezember 2021 listet der Bundesverfassungsschutz das Magazin als gesichert rechtsextremistisch. Die Compact-Magazin GmbH trage Positionen und Aussagen in die Öffentlichkeit, die eindeutig als völkisch-nationalistisch sowie minderheitenfeindlich zu bewerten seien.

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