Kuhmilch oder Pflanzendrinks?

OGA vom 28. Oktober 2023 WIRTSCHAFT

Pflanzendrinks: Körner statt Kuh

Ernährung

Immer mehr Raum nehmen im Handel Milchersatzprodukte ein – Getränke aus Mandeln, Hafer, Erbsen oder Soja. Ein Vergleich von Produktion, Nachhaltigkeit und Mineralstoffen.

Von Caroline Strang

Auf den Tischen liegen Spitzendeckchen, die Montagsturnerinnen haben Stammtisch, wie jeden Montag seit 30 Jahren. Nur Corona hatte sie zeitweise von dieser Tradition abgehalten. Die Pokale auf dem Wandregal direkt unter der holzvertäfelten Decke glänzen matt vor staubigem Fett, die Runde einen Tisch weiter bestellt Radler und Weißweinschorle – ein entspannter Abend in einer Dorfwirtschaft in der Nähe von Biberach. Mittenrein platzt die Frage an die Mütter, die sich nach einem Elternabend dort versammelt haben: „Sag mal, trinkt ihr noch Kuhmilch oder nehmt ihr Pflanzendrinks?“

Es folgt verständnisloses Kopfschütteln, die eine erzählt, dass ihr Mann jeden Tag einen Liter normale Milch trinke, die andere lässt davon überwiegend die Finger, verträgt sie nicht mal im Kaffee. Nur eine der Jüngsten am Tisch erklärt: „Mein Mann trinkt nur noch Mandel- oder Kokosmilch, das schmeckt gar nicht so schlecht.“ Warum? „Weil die weniger Fett hat, er achtet auf seine Figur und auf die Gesundheit.“

Vor allem Hafermilch schneidet beim CO2-Fußabdruck gut ab.

Wie der figurbewusste Ehemann greifen immer mehr Menschen in Deutschland nach Milch-Ersatzdrinks, deren Hersteller sie nicht Pflanzen- oder Sojamilch nennen dürfen. Der Begriff „Milch“ ist geschützt. Im Vergleich zu 2020 ist der Absatz von Pflanzendrinks in Deutschland 2023 um 85 Prozent gestiegen, wie die Gesellschaft für Konsumforschung ermittelt hat. Knapp 13 Prozent der Verbraucher in Deutschland ziehen nicht-tierische Milchalternativen der konventionellen Milch vor.

Zu den beliebtesten Alternativen gehören Hafer-, Mandel- und Sojamilch. 54 Prozent der Verbraucher gaben in einer Umfrage der Marktforscher POSpulse an, Milchalternativen als Zusatz zu herkömmlicher Milch zu nutzen. Häufigste Motive für den Verzicht auf Milch stellen insbesondere Tier-, Umwelt- sowie Klimaschutz dar.

Die Produktion von Milch übernimmt überwiegend der Körper der Kuh, die im Handel käuflichen Pflanzendrinks werden industriell hergestellt. Grundsätzlich kann man zusammenfassen: Für die Getränke wird die jeweilige Grundzutat zerstampft, zerstoßen oder gemust und mit Wasser versetzt. Bei Getreide-Drinks werden die Körner zuerst grob gemahlen und anschließend eingeweicht, wie die Experten des Bayerischen Staatsministeriums für Umwelt- und Verbraucherschutz beschreiben.

Für die Herstellung der Drinks auf Nussbasis schälen Hersteller die Früchte und rösten sie zur Verstärkung der Aromen, bevor auch sie gemahlen, gekocht und verdünnt werden. Bei Erbsenmilch hingegen werden zunächst die Proteine aus den Erbsen extrahiert und dann mit Wasser gemischt. Häufig kommen dann noch Pflanzenöl, Vitamine, Mineralien, diverse Verdickungsmittel und Aromen dazu.

Doch sind diese Pflanzendrinks überhaupt gesund? Prinzipiell ja, sie enthalten in der Regel beispielsweise weniger Fett, was auch der figurbewusste Ehemann weiß. „Pflanzliche Alternativen unterscheiden sich deutlich von Kuhmilch“, erklärt Katrin Böttner von der Verbraucherzentrale NRW. Ein umfassender Marktcheck habe allerdings ergeben, dass der Energiegehalt stark variiert.

Im Test lag er zwischen 12 und 81 Kilokalorien pro 100 Gramm. Mehr als zwei Drittel der Produkte enthielten weniger als 48 Kilokalorien pro 100 Gramm – und damit weniger Energie als fettarme Milch. Der überwiegende Anteil der Pflanzendrinks beinhaltete weniger als 0,5 Gramm gesättigte Fettsäuren pro 100 Gramm. Fettarme Kuhmilch und Vollmilch bringen es auf 1,1 und 2,4 Gramm pro 100 Gramm.

Allerdings trägt Kuhmilch in unserer Ernährung unter anderem zur Versorgung mit den Nährstoffen Calcium, Jod, Vitamin B2, Vitamin B12 und Protein bei. „Wer gänzlich auf Milchprodukte verzichtet, sollte darauf achten, diese Nährstoffe gezielt durch andere Lebensmittel aufzunehmen oder auf angereicherte Pflanzendrinks zurückgreifen“, schreibt das Staatsministerium.

Calcium wird den Drinks oft zugefügt. Die Empfehlung der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) liegt für Erwachsene bei 1000 Milligramm Calcium pro Tag. „Wenn man sie mit Milchprodukten erreichen will, braucht man 250 Milliliter Milch und beispielsweise noch zwei Scheiben Hartkäse und einen Joghurt von 150 Gramm“, erklärt Böttner. 250 Milliliter angereicherte Pflanzendrinks lieferten in der Regel ebenso viel Calcium wie 250 Milliliter Milch.

Pflanzendrinks sind klimafreundlicher: Ihr CO2-Fußabdruck ist deutlich kleiner als der von Milch, das heißt, ihre Auswirkungen aufs Klima entlang ihres Produkt-Lebenswegs von der „Wiege bis zur Supermarktkasse“, wie Nils Rettenmaier, wissenschaftlicher Mitarbeiter des Instituts für Energie- und Umweltforschung Heidelberg (ifeu), erklärt. Für die ifeu-Studie wurden Soja-, Hafer- und Mandeldrinks unter die Lupe genommen – und Milch. Unter anderem wurde berechnet, wie viele Treibhausgase in der Landwirtschaft durch den Einsatz von Traktoren, Dünger und Pflanzenschutzmitteln ausgestoßen werden, auch die Emissionen sämtlicher Transportprozesse, der Verarbeitung, Verpackung und Lagerung wurden einbezogen.

Das Fazit: „Die pflanzlichen Alternativen weisen wesentlich bessere Werte auf“, sagt Rettenmaier. Vor allem der Haferdrink schneidet gut ab. Der größte Unterschied komme aus der Landwirtschaft. Für die Erzeugung von Milch müssten Futtermittel für die Milchkühe angebaut werden. Dazu komme der Ausstoß von Methan aus dem Verdauungstrakt. Und auch die Ausbringung des Wirtschaftsdüngers aufs Feld leiste einen deutlichen Beitrag zu den Emissionen. „Für die pflanzlichen Alternativen hingegen muss man zwar auch die Rohstoffe anbauen, aber es fallen eben keine mit der Tierhaltung verbundenen Emissionen an“.

Großer Wasserverbrauch

Betrachtet man allerdings beispielsweise den Wasserfußabdruck, sieht die Bilanz etwas anders aus. Das ifeu ermittelte dabei den Wasserverbrauch in „Liter Weltwasseräquivalent“, wobei berücksichtigt wird, wie knapp Wasser in der jeweiligen Anbauregion ist. Mandeldrink hat einen sehr großen Wasserfußabdruck, deutlich größer als der von Milch: „Das liegt vor allem daran, dass Mandeln unter anderem in Kalifornien und im Mittelmeerraum angebaut werden, wo gerade in den vergangenen Jahren zeitweise große Wasserknappheit herrscht, die sich in den vergangenen Jahren weiter zuspitzte“, erklärt Rettenmaier. Haferdrink dagegen schneide beim Wasserfußabdruck besser ab als Milch.

Und die Frauen in der Dorfwirtschaft? An Wassermangel leiden sie nicht, obwohl die Gläser inzwischen leer sind. Auf Kuhmilch wollen sie nicht verzichten. „So ein Kakao mit richtiger Milch schmeckt schon anders“, sagen sie. Und drehen am nächsten Tag vielleicht eine kleine Sparzierrunde an der Weide mit den sieben Kühen am Dorfrand vorbei.

Für Allergiker bedingt geeignet

Als Alternative zu Kuhmilch sind Pflanzendrinks bei Allergikern beliebt, da sie keine Laktose und kein Milcheiweiß enthalten. Aber: Soja, Lupinen, Mandeln und Getreide können allergische Reaktionen auslösen. Außerdem enthalten Getreidedrinks Gluten, nichts für Menschen mit Zöliakie, so die Experten der Verbraucherzentrale.

Im Durchschnitt sind Pflanzendrinks teurer als Kuhmilch – wozu auch die unterschiedliche Besteuerung beiträgt: Milch fällt als Grundnahrungsmittel unter den ermäßigten Steuersatz von 7 Prozent, Pflanzendrinks werden mit 19 Prozent versteuert.

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