Morgen, am 11.10.2023 findet der Sonder-Kreistag in OHV statt

OGA vom 10. Oktober 2023

Wie gelingt Unterbringung? Kreistag vor der Entscheidung

Flüchtlinge

Die Kapazitäten sind fast ausgeschöpft, Lösungen nicht erkennbar. Welche Ergebnisse wird die Sitzung in Oranienburg bringen?

Von Stefan Zwahr

Der Handlungsdruck ist groß, die Erwartungshaltung hoch: Die Mitglieder des Kreistages kommen am morgigen Mittwoch in Oranienburg zusammen – und stehen so sehr wie selten zuvor unter Beobachtung. Die Themen auf der Tagesordnung drehen sich um die Frage, wie die Unterbringung von Flüchtlingen zwischen Oranienburg und Fürstenberg in Zeiten dürftiger Kapazitäten gelingen kann. Wie ist die Lage? Was ist zu erwarten? Ein Überblick.

Im Herbst 2023 ist der Landkreis Oberhavel mit seinen Problemen nicht allein. Angesichts steigender Migrationszahlen signalisieren Kommunen in vielen Teilen der Bundesrepublik, dass die Möglichkeiten zur Unterbringung von Flüchtlingen nahezu erschöpft sind. Gerd Landsberg, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städte- und Gemeindebundes, wird in Medien so zitiert: Es würde nicht nur an Wohnraum fehlen, sondern auch an Kita- und Schulplätzen, Geld und Personal. Bund und Länder suchen nach Lösungen – sind aber noch weit davon entfernt, eine „Blaupause“ präsentieren zu können.

Es droht eine Generaldebatte über Flüchtlinge, auch wenn Kreistag nicht zuständig ist.

Auch international beherrschte das Thema zuletzt die Schlagzeilen. Anfang Oktober hatte sich die Europäische Union auf eine Asyl-Krisenverordnung geeinigt. Die Diskussion um Obergrenzen bei der Flüchtlingsaufnahme ging dennoch unvermindert weiter. Wird sie nun auch im Kreistag angesprochen? Nicht ausgeschlossen – wenngleich das Parlament für derartige Belange nicht zuständig ist. Das betont Landrat Alexander Tönnies (SPD) regelmäßig, wenn er bei der Unterbringung von Geflüchteten von einer Pflichtaufgabe zur Erfüllung nach Weisung spricht.

Daher bleibt der Verwaltungschef dabei: Sollte es in Bezug auf die von der CDU und den Linken auf die Tagesordnung gebrachten Anträgen eine positive Beschlussfassung geben, „müsste der Beschluss beanstandet werden, weil der Antragsgegenstand nicht in die Entscheidungskompetenz des Kreistags fällt“.

Laut Christdemokraten soll der Kreistag beschließen, dass Bildungseinrichtungen und Sporthallen, „soweit sich diese in Trägerschaft des Landkreises befinden“, von einer Nutzung als Notunterkunft oder für die Unterbringung von Geflüchteten und Asylbewerbern auszuschließen sind. „Jegliche entgegenstehenden vorbereitenden Maßnahmen zur Umnutzung von Bildungseinrichtungen und Sporthallen sind sofort zu stoppen.“ Die Linken fordern in ihrem Antrag einen grundsätzlichen Ausschluss von Bildungseinrichtungen und Sporthallen.

Bedenken hat nicht nur der Landrat. Aus Kreisen der SPD ist zu hören, dass viele Abgeordnete nicht zustimmen werden. Über ihr Abstimmungsveralten und das Handeln im Kreistag insgesamt sprechen die Sozialdemokraten aber erst am Vorabend der Sitzung.

Alexander Tönnies bezeichnete die Nutzung von Sporthallen über Monate als letzten Ausweg – entschied nun aufgrund fehlender Möglichkeiten zur kurzfristigen Unterbringung von Flüchtlingen aber anders. Die von ihm oft zitierte angespannte Situation sieht in Zahlen (geliefert von der Kreisverwaltung am 6. Oktober) so aus: 573 Menschen sind in diesem Jahr bereits aufgenommen worden. Das Aufnahmesoll 2023 liegt aktuell bei 1844 Personen.

Heißt: Rein rechnerisch müssen bis Ende Dezember noch 1271 Flüchtlinge aufgenommen werden. Sollten diese tatsächlich zugewiesen werden, wird es eng. Insgesamt gibt es in der Region zwischen Glienicke und Fürstenberg 2156 Plätze für die Unterbringung Geflüchteter, 196 davon sind frei.

Mit Stand vom 1. August betreibt der Landkreis Oberhavel an elf Standorten Gemeinschaftsunterkünfte. Hinzu kommen im Kreisgebiet 21 Übergangswohnungen. Um mehr Kapazitäten schaffen zu können, gibt es konkrete Planungen für ein Gebäude am Schlosspark in Oranienburg (das bereits in Kürze bezugsfertig ist), am Luisenhof in Eden, in Lehnitz und in Marwitz.

5 Gedanken zu „Morgen, am 11.10.2023 findet der Sonder-Kreistag in OHV statt“

  1. OGA 10. Oktober 2023 TITELSEITE

    Kommentar Marco Winkler zur Unterbringung von Geflüchteten
    Nicht im Kreis drehen

    Der Kreistag am Mittwoch wird ein wichtiger in Oberhavel, ein buchstäblich wegweisender: Die Abgeordneten entscheiden über den weiteren Weg, den der Landkreis bei der Unterbringung von Geflüchteten gehen kann, soll und schlussendlich auch muss. Viel Spielraum gibt es nicht. Das ist seit Monaten klar. Kreisverwaltung und Abgeordnete sind sich einig, dass Sporthallen als Notunterkunft, wie in Zehdenick angedacht, vermieden werden sollen, um den sozialen Frieden nicht zu gefährden. Alternativen? Kaum vorhanden. Die Traglufthallen-Idee des Kreises scheiterte im ersten Anlauf knapp. Landrat Tönnies (SPD) bringt sie jetzt erneut ein. Er muss gut argumentieren, um eine Mehrheit zu bekommen, bisher offene Fragen klug beantworten. Die Entscheidung dürfte dennoch knapp ausfallen. Einige Abgeordnete wollen langfristige Lösungen. Doch ignorieren sie dabei nicht die aktuelle Dringlichkeit der Situation? Scheitert die Traglufthalle erneut, steht wohl wieder eine Sporthalle zur Debatte. Das kann niemand wollen! Die Diskussion würde sich im Kreis drehen – und genau dafür sollten Kreis und Kreistag eben nicht stehen.

    1. OGA 10. Oktober 2023 OBERHAVEL
      „Warum lassen wir das zu?“
      Von Monika Schultz (Leserzuschrift)

      Leserbrief zur geplanten Unterbringung von Migranten in Zehdenick

      Mit großer Besorgnis verfolge ich die Entwicklung und die Berichterstattung zu der geplanten Unterbringung von Migranten in Zehdenick. Der Ton und der Umgang miteinander werden zunehmend härter. Beim Versuch, die Turnhalle für den Sport zu erhalten, wird vieles in Kauf genommen. Die Sprache gegenüber Andersdenkenden wird gröber, rassistische und fremdenfeindliche Sprüche werden immer mehr toleriert. Verantwortung tragen grundsätzlich die anderen und Anstand und Zivilcourage wird nur beachtet, solange die eigene Meinung vertreten wird. Der Kreistag stimmt einfach so lange ab, bis das Ergebnis passt und die Zehdenicker Stadtverordneten wollen nicht einmal über mögliche Alternativen beraten.

      So wie wir gerade versuchen, die Turnhalle für den Sport unserer Kinder zu erhalten, zeigen wir unseren Kindern, dass Ausländerhass und Fremdenfeindlichkeit Sinn macht, dass man rassistische Sprüche ja mal sagen können muss, dass Dialog nichts bringt, dass Demokratie zu schwierig ist, aber auch, dass Solidarität und Mitgefühl nur für die eigenen Leute angebracht ist, wer auch immer das ist. Die Frage, wie ein gutes Zusammenleben in der Stadt möglich ist bei aller Unterschiedlichkeit geht völlig unter. Zehdenick hat schon bewiesen, dass es anders geht. Es gibt keine Probleme zwischen Oberschule und der direkt angrenzenden Gemeinschaftsunterkunft. Die Kinder gehen hier zur Schule, machen eine Ausbildung, finden Freunde und können sich so gut integrieren. Auch die Solidarität mit Menschen, die vor dem Krieg aus der Ukraine fliehen mussten, war beispielhaft. Warum lassen wir also zu, dass populistische und fremdenfeindliche Stimmen so laut werden dürfen? Warum lassen wir zu, dass Integration nicht mitgedacht wird, wenn bei der Unterbringung von schutzbedürftigen Menschen die Lösung die beste ist, die am weitesten weg ist?

      Am Ende hat der Verlust von Empathie und Solidarität langfristig schlimme Folgen für unsere Gesellschaft. Wir können und müssen uns entscheiden zwischen dem Versuch, mit menschlichem und auch politischem Anstand möglichst vielen Bedürfnissen gerecht zu werden durch lösungsorientierten Dialog oder eben dem Durchsetzen der eigenen Meinung, auf dem Rücken der Schwächsten, auch durch Verbreitung von Angst, Hass und Fremdenfeindlichkeit. Letzteres schafft vielleicht kurzfristig ein gewünschtes Ergebnis, zerstört aber letztendlich unser Zusammenleben.

      Bei abgedruckten Leserbriefen handelt es sich nicht um Meinungsäußerungen der Redaktion. Kürzungen behält sich die Redaktion vor. Einsendungen gehen an: oranienburg-red@moz.de oder gransee-red@moz.de

      1. Dieser Leserbrief widerspiegelt voll und ganz meine Meinung. Ich kann dieser Leserin meinen vollen Respekt zollen.

        Wobei wir wieder beim Umgang miteinander wären, bei Respekt, Achtung und Hilfsbereitschaft. Unsere Gesellschaft droht aus Egoismus, aus Trägheit und fehlender Bildung die Verrohung. Es zählt dann nur noch die Macht des Stärkeren, wie im Mittelalter. Ich dachte, wir alle wären ein gewaltiges Stück weiter in der menschlichen Entwicklung.
        Ursachen für Mißstände werden nicht mehr bei sich selber gesucht, es sind immer die anderen.
        Schade!
        Manchmal hilft doch der Blick über den Tellerrand und in die Geschichte der menschlichen Entwicklung.

  2. OGA 10. Oktober 2023 OBERHAVEL
    Gebäude im Ziegeleipark als Flüchtlingsunterkünfte?

    Flüchtlinge

    Neue Liegenschaften hat der Kreis nicht angeboten bekommen. Alle eigenen Immobilien kommen auf den Prüfstand.
    Von Stefan Zwahr

    An diesen Orten entstehen im Landkreis Oberhavel neue Unterkünfte, durch die bis 2025 etwa 440 neue Plätze zur Verfügung stehen sollen:

    ● Seit April 2023 werden fünf Wohngebäude in der Lindenstraße in Marwitz gebaut. Mit der Fertigstellung der Plätze für etwa 90 Menschen ist frühestens im Frühjahr 2025 zu rechnen.
    ● Die bestehende Unterkunft im Mühlenbecker Weg im Oranienburger Ortsteil Lehnitz wird um rund 200 Plätze erweitert.
    ● An der ehemaligen Landwirtschaftsschule Luisenhof in der Germendorfer Allee in Oranienburg-Eden werden bis Anfang 2024 knapp 100 weitere Plätze entstehen.
    ● Zum Jahresende 2023 soll ein kreiseigenes Gebäude an der Straße Hinter dem Schlosspark in Oranienburg 50 Menschen ein Obdach bieten.

    Es werden alle Möglichkeiten so konkret wie möglich geprüft, um fehlende Plätze zu schaffen.

    Kreisverwaltung in einer Stellungnahme

    Gibt es weitere Gedankenspiele, wo Flüchtlinge untergebracht werden könnten? „Überlegungen gibt es auch zum ehemaligen Preußischen Hof in Liebenwalde und für das Areal der alten Ingenieursschule in Velten“, heißt es dazu auch im Oktober 2023 vom Landkreis. „Hier prüfen wir aktuell, ob die Liegenschaften für die Unterbringung Geflüchteter geeignet sein könnten.“ Bis zu 470 Flüchtlinge plant der Kreis auf dem Gelände der ehemaligen Ingenieurschule Hohenschöpping unterzubringen.

    Im Fokus der Diskussion steht seit vielen Wochen aber eine andere Stadt. In Zehdenick plante der Landkreis – gemeinsam mit der kreiseigenen Oberhavel Holding Besitz- und Verwaltungsgesellschaft mbH – den Bau einer Traglufthalle. Die Vorteile würden vor allem darin liegen, dass Traglufthallen schnell zu errichten sind (acht Wochen Aufbauzeit) und gleichzeitig als fertiges Konzept inklusive auskömmlicher Lösungen für Sanitär- und Küchenanlagen und sonstiger Ausstattung angeboten werden.

    Im Kreistag gab es für diesen Vorstoß der Verwaltung am 13. September keine Mehrheit. Bei der dann folgenden Prüfung aller kurzfristig verfügbaren Optionen kamen die beteiligten Fachleute zu diesem Ergebnis: „Uns bleibt aktuell leider keine andere Wahl, als vorübergehend die Sporthalle am Wesendorfer Weg in Zehdenick für die Unterbringung geflüchteter Menschen vorzubereiten“, bemerkte die zuständige Sozialdezernentin Kerstin Niendorf zwei Tage nach dem Kreistag.

    Mehrheit für die Traglufthalle?

    In die nun anstehende Sitzung wird der Landrat den Antrag auf Erwerb einer Traglufthalle zur Schaffung einer Gemeinschaftsunterkunft in Zehdenick noch einmal einbringen. Begründung: „Die Traglufthalle halten wir für eine geeignete Möglichkeit, um kurzfristig geflüchtete Menschen unterzubringen, ohne Turnhallen als Notunterkünfte nutzen zu müssen.“ Gibt es diesmal eine Mehrheit? Fraglich. Bündnis 90/Die Grünen dürften bei ihrem „Nein“ bleiben. Reiner Merker, der auch Stadtverordneter von Zehdenick ist: „Für unsere Stadt ist in der Frage der Migration eine langfristig tragfähige Lösung nötig. Und das ist keine Frage von Turn- oder Traglufthalle.“ Bei dieser Verkürzung würden sich aus seiner Sicht entweder die Schüler und Sportvereine oder die Migranten „und letztlich die gesamte Stadt in unzumutbaren Verhältnissen wiederfinden“.

    Gegen Traglufthalle und Sporthalle spricht sich auch die AfD aus. „Jede Zwischenlösung ist nur die Behandlung des Symptoms, nicht aber der Ursachen. Nicht Traglufthallen, sondern nur eine völlig andere Flüchtlingspolitik lösen das Problem“, betont Sabine Barthel.

    Die Gedankenspiele über Traglufthalle und Sporthalle waren nicht die ersten Ideen, die der Landkreis in Bezug auf Zehdenick hatte. Betont wird jedoch aus den Reihen des Stadtparlamentes weiterhin, dass die alte Exin-Förderschule an der Marianne-Grunthal-Straße momentan keine Option ist. Die Stadtverordneten hatten vor knapp einem Jahr eine sogenannte Veränderungssperre für das Areal erlassen. „Damit kommt eine Nutzung des Objekts als Gemeinschaftsunterkunft auch unabhängig davon nicht infrage“, so die Kreisverwaltung.

    Nun scheint jedoch der Ziegeleipark Mildenberg in das Blickfeld der Kreisverwaltung zu geraten. Auf Nachfrage heißt es: „Dem Landkreis gehören im Ziegeleipark Liegenschaften und Gebäude, die zum Unterbringen von Geflüchteten ertüchtigt werden können.“ Diese könnten dann später „für Zwecke des Ziegeleiparks“ zum Beispiel als Veranstaltungsräume oder zur Unterkunft für Touristen genutzt werden.

    „Grundsätzlich gilt: Es werden alle Möglichkeiten so konkret wie möglich geprüft, um die fehlenden Plätze für die Unterbringung Geflüchteter zu schaffen.“ Dies müsse vorrangig in kreiseigenen Liegenschaften geschehen, „da uns keine neuen Angebote zur Unterbringung vorliegen“.

  3. OGA vom 11. Oktober 2023 OBERHAVEL
    Industrie, Flüchtlinge oder beides – welche Zukunft hat der Businesspark?

    Fast jede Woche muss das Rathaus in Velten Anfragen von Firmen nach Grundstücken negativ bescheiden. Die Industriegebiete sind voll. Platz gäbe es im Businesspark. Weshalb verzögert der Kreis dessen Entwicklung?
    Von Roland Becker

    Velten könnte wirtschaftlich (noch mehr) boomen. 33 Mal haben Unternehmen 2023 im Rathaus von Velten angefragt, ob sie ein Gewerbegrundstück kaufen oder mieten können. Nur ein einziges Mal konnte die Stadt den Wunsch erfüllen. In den Jahren zuvor gab es laut Veltens Rathaussprecherin Stefanie Steinicke-Kreutzer jeweils zwischen 40 und 50 Anfragen, die nicht erfüllt werden konnten. Velten gehen damit potenzielle Arbeitsplätze und Steuereinnahmen durch die Lappen. Dabei gibt es eine Möglichkeit, solche Investoren in die Stadt zu holen – sofern der Kreis Oberhavel mitspielt.

    Schon seit 2016 soll das Areal der ehemaligen Ingenieurschule Hohenschöpping zum Industrie- und Gewerbepark entwickelt werden. Velten hat dafür bereits in jenem Jahr politisch den Willen zu dieser Entwicklung bekundet. Das Problem: Die Stadt ist völlig vom Kreis abhängig, denn die 15 Hektar große Fläche gehört dem Landkreis.

    Die Stadt hat ebenso wie der Landkreis ein großes Interesse an einer Einigung.

    Stefanie Steinicke-Kreutzer Stadtsprecherin

    Kreis lehnt Forderungen ab

    Sieben Jahre später scheinen sich die Stadt Velten und der Landkreis bezüglich des gewünschten Industrie- und Gewerbeparks uneiniger denn je zu sein. Das hat vor allem mit nachträglich formulierten Wünschen des Veltener Stadtparlaments zu tun. Die aber kommen, so argumentiert der Kreis, viel zu spät. Die Planung für den Businesspark sei bereits vom Kreistag beschlossen worden und können nicht noch einmal in die Hand genommen werden.

    Doch auch finanzielle Aspekte dürften eine Rolle spielen. So lehnt es der Landkreis ab, sich an den Kosten für zusätzliche Geh- und Radwege, Bäume und Parkplätze zu beteiligen. Der größte Knackpunkt ist die aus den Beschlüssen des Stadtparlaments resultierende Forderung des Rathauses, dass sich der Landkreis am Neubau der Brücke über den Stichkanal beteiligen soll. Hier stößt Velten im Landratsamt auf völliges Unverständnis.

    Ärger wegen Brückenneubau

    Das Stadtparlament Velten hatte sich bereits 2019 für diesen Neubau der Brücke entschieden. Damit soll künftig der Verkehr auf der stark frequentierten und stauanfälligen Kreuzung Hohenschöppinger Straße/Landesstraße Velten-Hennigsdorf entlastet werden. 2020 wurden die Baukosten auf 2,85 Millionen Euro geschätzt. Dass das Projekt, das zu 90 Prozent vom Land gefördert werden sollte, nicht umgesetzt werden konnte, lag daran, dass das Landesamt die Brücke plötzlich unter Denkmalschutz stellte.

    Das Problem ist zwar zwischenzeitlich gelöst. Doch nun stellt sich der Kreis bei der Finanzierung quer. „Ich lehne die Kostenbeteiligung grundsätzlich ab“, teilte Kreisdezernent Matthias Rink im Juni Veltens Bürgermeisterin Ines Hübner (SPD) mit. Ein solcher Bau, so seine Begründung, würde dem Businesspark III keinen Vorteil bringen.

    Dass es mit der Erweiterung des Industrieareals nicht vorangeht, dürfte auch mit der Idee des Kreises zusammenhängen, auf dem Gelände der ehemaligen Ingenieurschule eine Flüchtlingsunterkunft zu errichten. Eine endgültige Entscheidung ist zwar noch nicht getroffen worden, doch es ist zu erwarten, dass bis dahin keine Weichen für die Entwicklung des Businessparks III gestellt werden.

    Besteht generell die Möglichkeit, auf den 15 Hektar sowohl Industrieflächen zu errichten als auch ein Flüchtlingsheim zu betreiben? Im Veltener Rathaus hält man das für möglich. Die Stadtsprecherin dazu: „Eine Gemeinschaftsunterkunft könnte neben den Gewerbeansiedlungen platziert werden. Die Stadt Velten geht nicht davon aus, dass dadurch die Entwicklung des Businessparks verzögert wird.“ So optimistisch ist man beim Kreis nicht. Auf die Frage, welche Möglichkeiten es für die Entwicklung des Businessparks III bei gleichzeitigem Betreiben einer Flüchtlingsunterkunft auf dem Areal gibt, teilt Kreissprecherin Ivonne Pelz mit: „Das ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht abschließend zu beantworten.“

    Der Briefwechsel zwischen der Stadt Velten und dem Landkreis, den Bürgermeisterin Ines Hübner (SPD) den Stadtverordneten im September vorgelegt hat, lässt auf tiefe Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Institutionen schließen. Da ist seitens Hübner von „Bedauern“ die Rede, dass auf wichtige Forderungen Veltens nicht eingegangen wird. Kreisdezernent Rink revanchiert sich mit Formulierungen wie „mit Verwunderung habe ich festgestellt …“ Bei Presseanfragen reagieren beide Seiten allerdings deutlich moderater. Aus dem Landratsamt heißt es: „Wir arbeiten an einer gemeinsamen Lösung.“ Für Velten teilt Steinicke-Kreutzer mit: „Die Stadt hat ebenso wie der Landkreis ein großes Interesse an einer Einigung.“

    Abgesehen von der bislang nicht gelösten Thematik Flüchtlingsunterkunft steht der Erweiterung des Industriegeländes noch etwas im Wege. Seit 2021 weiß der Kreis, dass er für den Businesspark III ein Interessenbekundungsverfahren durchführen muss. Damit soll herausgefunden werden, ob es statt des auf Fördermittel angewiesenen Landkreises einen privaten Investor gibt, der ohne Fördergeld das Areal zum Industrie- und Gewerbegebiet entwickelt und eventuell sogar kauft. Was ist in dieser Hinsicht in den vergangenen zwei Jahren geschehen? Offenbar nicht viel. Denn Kreissprecherin Pelz lässt mitteilen: „Seither wurde dieses Verfahren vorbereitet und kommuniziert.“

    Öffentlich gestartet ist das Verfahren noch nicht. Rund zwei Jahre nach dem Start befindet man sich also noch ganz am Anfang dieses Verfahrens. Pelz dazu: „Das Verfahren kann erst gestartet werden, wenn ein verbindlicher Bebauungsplan vorliegt.“ Wenn man im Veltener Rathaus nachfragt, ob die Stadt Kenntnis darüber hat, weshalb der Kreis das Interessenbekundungsverfahren nicht längst gestartet hat, lautet die Antwort: „Nein, das ist der Stadt nicht bekannt.“

    Fragt sich, wann die seit 2016 laufenden Bemühungen um neue Bauflächen im Businesspark von Erfolg gekrönt werden. Die Antwort vom Kreis lässt nichts Gutes oder anders gesagt keine schnelle Entwicklung erahnen. Weil die Verhandlungen um Veltens Zusatzwünsche noch laufen und der B-Plan fehlt, „gibt es keine verbindliche Aussage zum Zeithorizont“, argumentiert Pelz.

    Stört es den Landkreis gar nicht, dass Velten bis zur Entscheidung zum Businesspark III Investoren abweisen muss und damit die wirtschaftliche Entwicklung Veltens behindert wird? Die Kreissprecherin sagt dazu: Da die Kommunen Planungshoheit haben, weisen sie neue Gewerbeflächen aus. Dafür ist also die Stadt Velten zuständig, nicht der Landkreis. Nur im Fall der alten Ingenieurschule sind Velten die Hände gebunden.

    Im Rathaus der Ofenstadt sammelt man weiter eifrig die Ansiedlungswünsche, um die Firmen informieren zu können, falls aus dem Traum vom Businesspark III Wirklichkeit wird. Stadtsprecherin Steinicke-Kreutzer befürchtet allerdings: „Viele Unternehmen haben nicht die Zeit, auf die Entwicklung zu warten, sondern suchen kurzfristiger.“

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