Die #noafd zeigt immer mehr ihr wahres Gesicht

OGA vom 02. Februar 2024 BRANDENBURG

AfD will „Parteienstaat“ abschaffen – das Kalkül dahinter

Politik

Für den Verfassungsschutz Brandenburg gilt der Landesverband als rechtsextremer Verdachtsfall. Die Äußerung von Lars Hünich treibt die Debatte an, ob sie als erwiesen rechtsextrem einzustufen ist. Minister Stübgen (CDU) findet klare Worte.

Von Ulrich Thiessen

Lars Hünich ist im Landtag Brandenburg für zwei Dinge bekannt: Für seine bunten Pullunder, die er ständig trägt, und für die Art, wie er sich bis zur Unverständlichkeit in Rage reden kann. Der gelernte Anlagenmonteur wurde 1971 in Dresden geboren, war von 2006 bis 2014 Mitglied der Linken und wechselte nach dem Austritt aus der Partei im selben Jahr in die AfD. Dort war er kurze Zeit Landesgeschäftsführer und zog 2019 in den Landtag ein, wo er eher zu den Hinterbänklern zählt.

Große Aufmerksamkeit verschafft ihm nun ein kurzer Mitschnitt des ZDF auf einer Parteiveranstaltung in Falkensee. Auf dem in der Mediathek verfügbaren Mitschnitt „Länderspiegel“ vom 27. Januar verkündete er etwa bei Minute neun: „Wenn wir morgen in einer Regierungsverantwortung sind, dann müssen wir diesen Parteienstaat abschaffen“.

Mit solchen Forderungen zeigt die AfD ganz deutlich, diese Partei hasst die Demokratie.

Der Satz wurde Ende Januar im Innenausschuss des Landtages thematisiert und Verfassungsschutzchef Jens Müller dazu befragt. Der erklärte, dass der Mitschnitt gesichert worden sei und in die Bewertung des Landesverbandes einfließe, der aktuell als rechtsextremer Verdachtsfall in Brandenburg eingestuft wird. Ob daraus der Status „gesichert rechtsextrem“ wird, wie er seit 2023 für die Nachwuchsorganisation Junge Alternative gilt, ist ungewiss. Der Verfassungsschutz lässt sich dabei nicht in die Karten gucken.

Die AfD scheint sich der Brisanz von Hünichs Aussage bewusst zu sein. Wortreich wurde seitdem erklärt, dass es darum gehe, den Einfluss der Parteien, die die AfD gern als Altparteien tituliert, zurückzudrängen. Landeschefin Birgit Bessin sprach in einer Pressemitteilung davon, dass ihre Partei nicht die Parteien abschaffen wolle, sondern dem „gesamten Volk“ mehr Mitsprachmöglichkeiten, beispielsweise durch Volksentscheide, geben wolle. Die Parteienfinanzierung gerate „völlig aus dem Ruder“, erklärte Bessin.

Unerwähnt bleibt, dass auch ihre Partei von der Parteienfinanzierung profitiert. Das „Handelsblatt“ berichtete im Januar, dass die AfD 2021 rund 44 Prozent ihrer Jahreseinnahmen (rund elf Millionen Euro von 25 Millionen Euro) vom Staat erhalten hatte. Bessins Kritik umfasst auch die staatlichen Zuschüsse für die parteinahen Stiftungen. Die AfD klagt in Karlsruhe, weil ihre Erasmus-Stiftung bislang keine Steuergelder erhält.

Da es der AfD im Wahljahr darum geht, die Reihen dichtzuhalten und damit keine Zweifel aufkommen zu lassen, dass auch der mit Bessin rivalisierende Fraktionschef Hans-Christoph Berndt hinter Hünich steht, hat dieser kurz nach der Pressemitteilung der Landesvorsitzenden eine eigene verfasst. Darin zitiert er einen Wikipedia-Eintrag, nachdem der Begriff „Parteienstaat“ als Ausdruck systematischer Korruption verstanden werden könne, bei der Parteien alle Organe des Staates für eigene Interessen durchdringen und ausnutzen. Nicht erwähnt wird in Berndts Pressemitteilung, dass derselbe Wikipedia-Eintrag darauf hinweist, dass der Begriff „Parteienstaat“ zu Beginn der Weimarer Republik genutzt wurde, um das demokratische System verächtlich zu machen.

Innenminister Michael Stübgen (CDU) ließ am Donnerstag (1.2.) keinen Zweifel daran, wie er das umstrittene Zitat einordnet: „Mit dem Kampfbegriff Parteienstaat wurde schon einmal die parlamentarische Demokratie abgeschafft. Das war 1933 und danach folgte eine Diktatur des Schreckens. Mit solchen Forderungen zeigt die AfD eins ganz deutlich, diese Partei hasst die Demokratie“, so der Innenminister.

Landtagspräsidentin Ulrike Liedtke (SPD) erklärte am Donnerstag (1. 2.) zu Hünichs Zitat: „Diese Äußerungen sind falsch und gefährlich. Es gibt in Deutschland keinen ‚Parteienstaat‘, wie behauptet wird, sondern eine pluralistische Demokratie mit freien, gleichen und geheimen Wahlen.“ Wenn die AfD ein Einparteiensystem anstrebe, verstoße das eindeutig gegen das Grundgesetz. „Ich werde als Landtagspräsidentin das Gespräch mit den Fraktionen suchen, um diesen offenen Angriff auf den Parlamentarismus und den sozialen Frieden abzuwehren“, kündigte sie an.

In Potsdam gibt es jedoch auch Stimmen, die davor warnen, dass Diskussionen wie die um Hünichs Äußerungen der AfD helfen. Da werde bewusst provoziert und dann werden die Reihen dicht gemacht – mit dem Verweis, dass die anderen Parteien und die Medien die AfD bewusst falsch interpretieren würden. Bei den Wählern, das zeigte der ZDF-Beitrag aus Falkensee, kommen die Sprüche, wie die von Hünich gut an.

Einordnung durch den Verfassungsschutz

In einer schriftlichen Stellungnahme des brandenburgischen Verfassungsschutzes heißt es: „Eine solche Forderung ist … ein klarer Angriff auf die freiheitliche demokratische Grundordnung.

Natürlich gehört das zur Strategie der stetigen Verschiebung von Grenzen. Erst wird ganz offen die Demokratie infrage gestellt, der Applaus der Anhänger mitgenommen und dann der eigene Vorstoß verharmlost und mit Nebelkerzen versehen.

Ziel der AfD ist es, den Diskurs zu bestimmen und die Grenzen des Sagbaren zu verschieben. Gleichzeitig versucht sie Anschluss an die allgemeine Kritik an der Bundesregierung zu finden.“

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