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Ein Kommentar zu: Körperverletzungen an Brandenburgs Schulen? – Ja die gibt es leider…

OGA vom 28. März 2024 BRANDENBURG

Kommentar

Mathias Hausding über den Umgang mit Gewalt an Schulen

Schluss mit dem Tabu

Von Mathias Hausding

Der statistische Beleg für die stark gestiegene Zahl von Körperverletzungen an Schulen in Brandenburg ist keine große Überraschung und doch ein Alarmsignal. Meldungen über Gewaltvorfälle hatten 2023 für Aufsehen gesorgt. Aber sie wurden zumeist als Einzelfälle abgetan. Eine tiefe und ernsthafte Analyse des Problems etwa im Landtag gab es bislang nicht mal ansatzweise. Es scheint tabu zu sein, darüber zu reden.

Das muss anders werden. Allgemeines Bedauern und der Verweis auf die zunehmende Verrohung in der Gesellschaft reichen nicht als Antworten auf die Gewalt an den Schulen. Nötig sind Dunkelfeld-Untersuchungen, die also einen Eindruck davon vermitteln, wie viel Gewalt es jenseits der offiziellen Polizei-Statistik gibt. Und es muss herausgearbeitet werden, inwieweit sich die Probleme gleichmäßig verteilen oder ob es Brennpunkte gibt. Letzteres ist zu vermuten. Diesen Schulen muss dann schnell und nachhaltig geholfen werden – mit Personal und mit guten Konzepten.

Wie gesagt, dafür sind zuerst Offenheit und Ehrlichkeit nötig, und daran fehlt es bislang in Brandenburg. Auch um den vielleicht unbequemen Fakt, dass 2023 laut Statistik fast jeder vierte Tatverdächtige nichtdeutscher Herkunft war, darf das Land keinen Bogen machen.

Körperverletzungen an Brandenburgs Schulen? – Ja die gibt es leider…

OGA vom 28. März 2024 BRANDENBURG

Mehr Gewalt an Brandenburger Schulen

Landeskriminalamt

Detaillierte Zahlen zu Körperverletzungen zeigen: Die Fälle haben 2023 drastisch zugenommen. Eltern sind in großer Sorge.

Von Mathias Hausding

Eine Umstellung in der bundesweit einheitlichen Kriminalstatistik der Polizei (PKS) hat dafür gesorgt, dass seit 2020 Körperverletzungen am Tatort Schule besser ausgewertet werden können. Diese Zeitung bat das Landeskriminalamt Brandenburg, detailliert die Zahlen der vergangenen Jahre zusammenzustellen. Wichtig: Es ist eine sogenannte Ausgangsstatistik. Erfasst werden also keine Strafanzeigen, sondern von der Polizei bereits ermittelte Fälle.

Aus den gelieferten Tabellen ergibt sich, dass 2023 insgesamt 982 Körperverletzungen an Schulen erfasst wurden, eine Zunahme um 35 Prozent gegenüber 2022 und um fast 50 Prozent im Vergleich zu 2020. In 252 Fällen davon handelte es sich 2023 um gefährliche und schwere Körperverletzungen. Von solchen Taten spricht man gemäß Strafgesetzbuch, wenn sie gemeinschaftlich oder mit gefährlichen Gegenständen begangen werden, beziehungsweise wenn sie geeignet sind, erhebliche gesundheitliche Folgen zu verursachen. Auch diese Zahlen sind an Schulen in Brandenburg im Vergleich zu Vorjahren stark gestiegen.

Mehr als die Hälfte der Verdächtigen sind Kinder unter 14 Jahre.

Von den insgesamt 1037 ermittelten Tatverdächtigen im vergangenen Jahr waren mehr als die Hälfte (575) Kinder unter 14 Jahren. Sie sind zwar noch nicht strafmündig, die Taten können dennoch Folgen haben, etwa in Form einer Meldung an das Jugendamt. 363 Verdächtige waren zum Tatzeitpunkt Jugendliche, 99 waren bereits volljährig.

Die Quote der nicht deutschen Tatverdächtigen liegt mit knapp 24 Prozent über dem Ausländeranteil der Schülerschaft in Brandenburg. Zum Vergleich: Laut Bildungsministerium werden im Schuljahr 2023/24 rund 15.400 fremdsprachige Kinder und Jugendliche unterrichtet, was 5 Prozent aller Schülerinnen und Schüler entspricht. Besonders auffällig ist, dass von 2022 zu 2023 die Zahl der nicht deutschen Tatverdächtigen um 57 Prozent auf 246 Personen gestiegen ist.

Insgesamt 1078 Menschen wurden laut Statistik im Jahr 2023 Opfer von Körperverletzungen an Schulen. Ein Anstieg um 42 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Darunter waren 599 Kinder (U14), 316 Jugendliche (U18), 23 Heranwachsende (U21) sowie 140 Erwachsene, also zum Beispiel Schulpersonal. Das Verhältnis von Deutschen zu Ausländern liegt unter den Opfern bei 87 zu 13 Prozent.

Den Landeselternrat (LER) versetzt die Kriminalitätsstatistik in Alarmstimmung. „Es ist ein riesiger Anstieg. Das passt leider auch zu Rückmeldungen, die wir von Eltern erhalten. Die Schule ist vielerorts kein Schutzraum mehr. Kinder und Jugendliche bringen Frust und Ängste mit“, sagt die Landesvorsitzende Ulrike Mauersberger. Der LER wünscht sich einen stärkeren Fokus auf diese Probleme. „Ja, Rechtsextremismus ist auch eine Gefahr an Schulen“, betont Ulrike Mauersberger mit Verweis auf Debatten der vergangenen Monate und die umstrittene Änderung des Schulgesetzes. „Aber die Gewaltdelikte sind viel schlimmer für unsere Kinder. Das belegt die Statistik leider.“

Ulrike Mauersberger erinnert exemplarisch an Vorfälle in Seelow, wo im Januar 2023 vorübergehend Wachschutz bestellt werden musste, um die Sicherheit an einer Schule gewähren zu können, sowie an Gewalttaten in Eberswalde, in deren Folge Väter und Mütter auf einer Elternkonferenz berichtet hätten, dass sich Zehntklässler aus Angst vor bestimmten Gangs buchstäblich in die Hose machen und sich nicht in die Schule trauen würden.

Der Landeselternrat erwartet eine Reaktion der Schulen und der Politik auf diese Entwicklungen. „Hier muss ganz dringend gehandelt werden. Wir brauchen Anti-Gewalt-Projekte an den Schulen und viel mehr Schulsozialarbeit“, sagt Ulrike Mauersberger. Kinder und Jugendliche müssten wieder lernen, Konflikte gewaltfrei auszutragen.

Psychologen gefordert

Außerdem sollten Gesundheitsfachkräfte und Psychologen als Ansprechpersonen für Kinder mit Ängsten vorhanden sein. Hier werde derzeit zu viel auf die Lehrkräfte abgewälzt. Zumal der akute Lehrermangel und überfüllte Klassen vielfach dazu beitragen würden, dass sich das Klima weiter verschlechtert.

Stefan Tarnow, Sprecher des Landesschülerrats, geht ebenfalls davon aus, dass die Klassengrößen direkten Einfluss auf das Konfliktpotenzial an den Schulen haben. Die Lage sei besorgniserregend. Setze man die 982 ermittelten Körperverletzungen von 2023 in Relation zu den mehr als 900 öffentlichen und freien Schulen in Brandenburg, ergebe sich zwar ein differenziertes Bild. Es gebe jedoch definitiv eine hohe Dunkelziffer und jede Gewalttat sei zu verurteilen, betont Stefan Tarnow.

Oberhavel und seine Schulen – auch Neue

OGA vom 08. Januar 2024 OBERHAVEL

Was am Sportplatz gebaut wird

Städtebau Über das Grundstück „Oranienburger Straße 37“ in Gransee ist eine Entscheidung gefallen.

Von Martin Risken

Gransee.

Das ehemalige Firmengelände des Kreisbaubetriebes Hoch und Tief an der Oranienburger Straße in Gransee kann wohl mit Fug und Recht als Filetstück der Ackerbürgerstadt bezeichnet werden. Verkehrsgünstig gelegen, hat es schon so manche Begehrlichkeit bei Investoren geweckt. Ein Supermarkt sollte hier mal gebaut werden, aber auch als Standort zum Wohnen war es wiederholt im Gespräch. Für all diese Nutzungen wäre es auch geeignet, doch jetzt haben die Stadtverordneten eine Vorentscheidung getroffen, was aus dem Areal am Sportplatz tatsächlich werden soll.

Wie schon bei der Übertragung der Trägerschaft über die Werner-von-Siemens-Oberschule auf den Landkreis Oberhavel angedeutet, soll hier die neue Oberschule entstehen. Und obwohl die Standortfrage schon vor einem Jahr quasi geklärt war, gab es im Stadtentwicklungsausschuss eine sehr kontroverse Diskussion darüber, ob die Stadt dem Landkreis ausgerechnet dieses Grundstück für den Schulneubau überlassen sollte. „Das war im Vorfeld so nicht abgestimmt“, fühlte sich der Stadtverordnete Bernd Weidemann (CDU) von der Beschlussvorlage der Amtsverwaltung Gransee überrumpelt. Der Verwendungszweck des Grundstücks sei so nicht beschlossen worden.

Weidemann unterrichtete die Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung über das Ergebnis im Fachausschuss, wonach auch ein anderer Standort für den Schulneubau infrage gekommen wäre. Doch der Ausschuss habe sich letztlich dem Vorschlag der Verwaltung zur Aufstellung eines Bebauungsplanes für das Areal an der Oranienburger Straße gebeugt. Anders als von der Verwaltung vorgesehen, wird der Bereich noch erweitert, und zwar wird der große Garagenkomplex am Berliner Damm miteinbezogen, weil es aus Sicht des Fachausschusses wenig Sinn gemacht hätte, die Oranienburger Straße 37 und damit nur ein einzelnes Grundstück zu überplanen.

Schon seit dem Jahr 2003 werde das ehemalige Hoch-Tief-Gelände, das auch für den Wohnungsbau infrage gekommen wäre, für die städtebauliche Entwicklung vorgehalten, wie Weidemann kritisch anmerkte. Letztlich gaben die Stadtverordneten mit zwei Gegenstimmen und einer Enthaltung dennoch grünes Licht für die Aufstellung eines Bebauungsplanes.

Das zeitraubende Verfahren eines Bebauungsplanes ist unter anderem deshalb erforderlich, weil Flächen im Innen- und Außenbereich liegen, aber auch um eine einheitliche planerische Grundlage herzustellen. Das Areal umfasst insgesamt eine Fläche von 2,2 Hektar. Die Erschließung soll über Oranienburger Straße und Berliner Damm erfolgen.

Ob es aber bei dem Geltungsbereich des Bebauungsplanes letztlich auch bleibt, ist damit noch nicht gesagt: Abweichend könne im Verfahren eine Anpassung des Geltungsbereiches entsprechend der konkreten Inhalte der Planung erfolgen. Auch der Flächennutzungsplan des Amtes Gransee und Gemeinden muss geändert werden, denn dort ist der Bereich als gemischte Baufläche dargestellt. Nun soll daraus ein „sonstiges Sondergebiet“ werden.

Als Nächstes wird der Vorentwurf zum Bebauungsplan, der dann öffentlich ausgelegt wird, erarbeitet. Die Beteiligung von Behörden, Verbänden und Institutionen erfolgt parallel. In den politischen Gremien der Stadt Gransee wird der Bebauungsplanentwurf wieder auf den Tisch kommen. Ergeben sich nach Auswertung und Abwägung der eingegangenen Stellungnahmen keine wesentlichen Änderungen, sodass sich die Erarbeitung eines weiteren Entwurfs erübrigt, kann der Bebauungsplan als Satzung durch die Stadtverordneten beschlossen werden. Einen konkreten Zeitplan gibt es dafür aber noch nicht. Die Siemens-Oberschule würde nach Errichtung des sogenannten Ersatzneubaus von der Straße des Friedens in die Oranienburger Straße 37 in einen dann sicherlich hochmodernen Campus umziehen.

Mit dem Landkreis Oberhavel sei vereinbart worden, dass bis Ende Mai 2024 die Kostenübernahmevereinbarung verhandelt wird, in der er sich verpflichtet, alle im Zusammenhang mit dem Bebauungsplan und der Änderung des Flächennutzungsplanes entstehenden Kosten vollständig zu übernehmen, informierte die Amtsverwaltung.

Eine perfekte Schule…?

OGA vom 16. Dezember 2023 POLITIK

Kompletter Neustart wäre falsch

Bildung

Ein Modell für die perfekte Schule wird es wohl niemals geben – zu groß sind die Unterschiede. Spannend ist die Frage nach optimalen Lernbedingungen dennoch.

Von Michael Gabel

Die Ergebnisse der Pisa-Studie waren ein Schock: Nach zwischenzeitlichen Erfolgen ist das deutsche Schulsystem auf einem noch tieferen Stand als im Jahr 2000, als der internationale Bildungsvergleich zum ersten Mal durchgeführt wurde. Dabei ist Bildung in Deutschland relativ teuer, und die Lehrkräfte verdienen mehr als in den meisten anderen Ländern. Vielleicht fehlt es auf dem Weg zur idealen Schule einfach an guten Ideen beziehungsweise an deren Umsetzung.

Erlanger Schule gewinnt den Deutschen Schulpreis – was ist an ihr so toll? Als die Eichendorffschule im fränkischen Erlangen im Oktober den Deutschen Schulpreis gewann, wurde erst einmal gefeiert. Mit dem Preisgeld von 100.000 Euro wolle man dringend benötigte Dinge anschaffen – wie zum Beispiel zwei 3D-Drucker, sagt Schulleiter Helmut Klemm dieser Zeitung. Das Besondere an der prämierten Schule sind die sogenannten Lernbüros: Jungen und Mädchen bekommen in den Fächern Deutsch, Mathematik und Englisch Lernmaterialien, mit denen sie sich auf jeweils ganz individuelle Weise beschäftigen können. Vorgegeben sind jeweils nur „Bausteine“, die nach und nach bearbeitet werden. Fühlt sich jemand fit genug, um ein Thema abzuschließen, macht er oder sie einen Probetest und bekommt beim Bestehen einen Leistungsnachweis.

Pädagoge Klemm will damit, wie er sagt, „den Kindern ihr Lernen wieder zurückgeben“. Bei der 2015 begonnenen Reform habe sich die Schule vorgenommen, dass Lehrkräfte weniger Stoffvermittler als Lernbegleiter beziehungsweise Coaches sein sollen: selbstbestimmtes Lernen mit von der Schule vorgegebenen, möglichst breit aufgestellten Leitplanken. Zum Unterrichtsprinzip gehören auch sogenannte Frei Days, an denen Beiträge zu selbstgewählten Themen erarbeitet werden. Im vergangenen Schuljahr lautete das Thema „Kein Hunger“ – nachgeforscht wurde unter anderem, wie in der schuleigenen Kantine mit Essensresten umgegangen wird.

Alles auf Anfang, um zur „idealen Schule“ zu gelangen? Das wäre der völlig falsche Ansatz, warnt der Hamburger SPD-Politiker Ties Rabe, der mit dem Stadtstaat im deutschlandweiten Bildungsvergleich einen großen Sprung nach vorn gemacht hat. Die Forderung nach einem kompletten Neustart des Schulwesens sei „die beste Methode, um den Karren an die Wand zu fahren“, sagt er. „Man kann ein System, das fünfmal so groß ist wie die Bundeswehr, 26 Millionen Schüler und Eltern betrifft und jeden Tag auf Hochtouren läuft, nicht mal eben komplett anhalten und neu sortieren.“ Der beste Weg für eine erfolgreiche Schulpolitik sei „Evolution statt Revolution“ – also „das Drehen an vielen Stellschrauben“.

Viele haben Angst vor Mathematik – wie lässt sich das ändern? Die jüngste Pisa-Auswertung hat gezeigt: Bei vielen der getesteten 15-Jährigen herrscht großer Frust über die aus ihrer Sicht trockene Art und Weise der Wissensvermittlung.

Der Erlanger Pädagoge Klemm sagt von sich selbst, ihm sei das früher ganz ähnlich gegangen. In der von ihm geleiteten Schule wird deshalb ein anderer Ansatz verfolgt. Dort gibt es für Fünft- und Sechstklässler einen „Raum der Mathematik“. Als „handlungsorientiertes“ Unterrichtsmaterial dient dort zum Beispiel Schokolade in Form von Dreiecken, Quadraten und Würfeln. Außerdem setze man zusätzliche pädagogische Kräfte ein, die zum Teil aus der Schule zur Verfügung stehenden Mitteln bezahlt werden.

In welchem Alter sollte es mit dem Lernen losgehen? Hamburg hat seine Erfolge unter anderem damit erzielt, dass dort verpflichtende Sprachfähigkeitstests für Viereinhalbjährige eingeführt wurden – ganz gleich, ob diese Kinder eine Kita besuchen oder nicht. Ergeben sich dabei Hinweise auf einen Förderbedarf, wird den Eltern „dringend geraten“, ihr Kind in eine Art Vorschule zu schicken. Dazu gezwungen werden können die Eltern zwar nicht. Aber laut Hamburger Sprachförderkonzept werden „die Eltern darauf hingewiesen, dass ihr Kind vom Schulbesuch zurückgestellt werden kann“. Noch einen Schritt weiter will die Bundes-CDU gehen. Im Entwurf für ihr neues Grundsatzprogramm heißt es, Kinder mit festgestelltem Förderbedarf sollten „vor der Einschulung verpflichtend zur Kita oder in die Vorschule“.

Was kann Deutschland von Estland lernen? Das wohlhabende Deutschland im Mittelfeld, das weitaus ärmere Estland bei den europäischen Ländern auf Platz eins – ein blamables Ergebnis ist das für die hiesige Bildungspolitik. Im Wesentlichen sind es drei Dinge, die in Estland anders und damit offenbar besser gemacht werden als in Deutschland: Zum einen werden Schulkinder dort wesentlich stärker individuell gefördert. Zum anderen können Lehrkräfte den Unterricht stärker an die Bedürfnisse ihrer Klasse anpassen als in Deutschland, wo der Lehrplan eine weitaus größere Rolle spielt. Und drittens: In Estland gehen zwei Drittel aller Zweijährigen in eine Vorschule und lernen dort bei Bedarf wie selbstverständlich die estnische Sprache. Hört sich das nach einer Mischung aus dem Erlanger und dem Hamburger Modell an? Durchaus, aber was in Deutschland häufig auf Initiative Einzelner geschieht, ist in Estland staatliche Vorgabe.

Wie wichtig sind in der „idealen Schule“ besondere Angebote wie Astronomie oder Chinesisch? Mit dem Weltraum-Teleskop ins All schauen, nachmittags Chinesisch lernen – für manche Kinder und Eltern kommt das dem Traum von der perfekten Schule sehr nahe. Der Erlanger Schulleiter sagt über solche Angebote: „Warum nicht? Wenn die Möglichkeit dazu besteht.“ Aber alles werde man auch in einer idealen Schule nicht unterbringen. Er favorisiere Schulkonzepte, die mit einem gewissen Aufwand auch tatsächlich flächendeckend umzusetzen wären und wolle keine „Wolkenkuckucksheim-Traumschule auf einer Insel“.

Oberhavel und seine Schulen – und wieder die Torhorst Gesamtschule aus Oranienburg

OGA vom 28. November 2023 OBERHAVEL

Torhorst-Schulleiterin schlägt Alarm

Bildung

Platzmangel und Überlastung prägen den Alltag an vielen Schulen der Region. Folge: Arbeit und Lernen am Limit. Die Kapazitäten sind auch in Oranienburg erschöpft. Nun macht eine neue Idee die Runde.

Von Stefan Zwahr

Gymnasium, Gesamtschule, Oberschule, Förderschule, Oberstufenzentrum: In Oranienburg fehlt es keineswegs an weiterführenden Schulen. Wenngleich die Auswahl da ist, sind die Plätze rar. Eine Schulleiterin schlägt Alarm, berichtet von der Arbeit am Limit – und lehnt die dauerhafte Anhebung der Zügigkeit ab. Mit ihrer Kritik ist sie nicht allein. Eine ganz neue Idee könnte Abhilfe schaffen. Über die Bildungslandschaft in der Kreisstadt und dem Landkreis Oberhavel insgesamt wird dieser Tage sehr häufig geredet. Der Schulentwicklungsplan wird fortgeschrieben.

Im Bildungsausschuss meldete sich am 20. November Manuela Brüssow zu Wort. Die Schulleiterin der Torhorst-Gesamtschule betonte, dass an ihrer Einrichtung alle Kapazitäten ausgeschöpft seien. Da auf jeder Etage ein Klassenraum fehle, wurden Kompromisslösungen geschaffen. Sogar Unterricht in der Aula und dem Konferenzraum sei schon an der Tagesordnung. Nicht nur für das Kurssystem sei das eine Herausforderung.

Irgendwann ist das Limit erreicht. Die Lösungen sind ausgereizt.

Manuela Brüssow

Schulleiterin

Ursprünglich war die Einrichtung an der Walther-Bothe-Straße als fünfzügige Schule ausgelegt worden. „Seit 2018 laufen wir sechszügig“, betont Manuela Brüssow. Im laufenden Schuljahr sind es im jüngsten Jahrgang sogar sieben Züge. Eine Interimslösung, wie es hieß. Doch Entspannung ist nicht in Sicht. Daher war sogar davon die Rede, künftig mit acht Zügen pro Jahrgang zu arbeiten. Diese Variante stehe nicht mehr zur Debatte, betonte Bildungsdezernent Holger Mittelstädt. Im Schuljahr 2024/25 werden sechs Züge gebildet. Ob das tatsächlich ein Modell für die Zukunft ist, scheint offen.

Für Manuela Brüssow ist längst das Maximum erreicht. Eine Achtzügigkeit sei „an dem Standort nicht leistbar“. Schon jetzt sind es bei Torhorst 880 Schüler und 74 Kollegen. 28 Kinder und Jugendliche pro Klasse ist der Regelsatz. „Irgendwann ist das Limit erreicht. Die Lösungen sind ausgereizt“, macht die Schulleiterin deutlich. Ziel und Aufgabe sei es, den Schülern vernünftige Bedingungen zu bieten – „und keine, die uns ins Chaos führen“. Die Lehrkräfte seien längst als Sozialarbeiter gefragt. Das zeige, „was so ein Standort mit dem Menschen macht“. Bei der Hofaufsicht seien die Kollegen jetzt schon am Rande der Erschöpfung. „Das führt an die Belastungsgrenze. Alle arbeiten engagiert, aber man muss sie schützen.“

Aus Sicht von Manuel Brüssow könne es nicht sein, dass eine Schule mehr belastet wird als andere Einrichtungen. Da kommt eine Idee aus einem Oranienburger Ortsteil sehr gelegen. Geäußert wurde sie von Katja Hoyer, der Schulleiterin der Oberschule Lehnitz. „Ihr Wunsch ist es, die Einrichtung langfristig zur Gesamtschule zu entwickeln“, berichtet Holger Mittelstädt, in Oberhavel Dezernent für Bildung, Kultur und Sport. Diesen Vorstoß, der jüngst in einem Gespräch thematisiert wurde, „habe ich sehr begrüßt“. Eine Gesamtschule sei die richtige Schulform am Standort Lehnitz. „Es ist der richtige Weg und eine Perspektive, die wir uns vorstellen können.“

Auch die Kreistagsabgeordnete Ursel Degner (Die Linke) ist angetan. Wenn es in Lehnitz sechs Gesamtschulzüge geben würde, „bräuchten wir keine riesige Torhorstschule mehr“.

Differenzierter äußert sich Nicole Walter-Mundt. Die CDU-Politikerin aus Oranienburg begrüßt die Vielfalt in der Bildungslandschaft ihrer Heimatstadt. „Ich freue mich über jede Schule. Die Konzentration ist aber langsam sehr hoch.“ Für Kinder und Jugendliche beispielsweise aus Liebenwalde würden sich die Wege dadurch nicht verkürzen. „Wenn sie dort zur Schule gehen könnten, wo sie wohnen, wären die Probleme gelöst. Wir machen aber nichts für den ländlichen Raum.“ Ein Umstand, den auch Pieter Schneider, Bürgermeister des Löwenberger Landes, massiv kritisiert.

Nicht nur Nicole Walter-Mundt stellte nach dem Bildungsausschuss zufrieden fest, dass die Kreisverwaltung ihre Pläne für die weiterführenden Schulen im Kreis grundlegend überarbeiten muss. „Die CDU-Fraktion hatte mit ihren 14 Änderungsanträgen zur Vorlage der Verwaltung Erfolg“, freute sich Katrin Gehring vor allem darüber, dass die angedachte Achtzügigkeit der Torhorst-Gesamtschule vorerst vom Tisch sei. „Torhorst kann auch langfristig mit der aktuellen Sechszügigkeit pro Jahrgang planen. Nur in absoluten Notsituationen sowie einmalig darf ein weiterer Klassenzug hinzukommen“, fasst die Faktionschefin die Ergebnisse zusammen. Deutlich sei jedoch auch geworden, „dass selbst dafür weitere Investitionen sowie eine räumliche Erweiterung am Standort notwendig sind“.

Katrin Gehring weiter: „Die Zügigkeitserhöhungen der letzten Jahre, um für alle Schülerinnen und Schüler einen Schulplatz anzubieten, waren einfache und auch schnelle Notlösungen, die jedoch im Endeffekt zu enormen Belastungen in unseren Schulen geführt haben.“ Masse statt Klasse könne nicht der Anspruch sein.

„Ein Weiter so wird es mit uns deshalb nicht geben“, unterstreicht Gehring. Die Schulen würden dorthin gehören, wo die Familien und Kinder wohnen – „und nicht auf einen zentral gelegenen Großcampus in Velten oder Lehnitz“. Die CDU unterstütze deshalb den Kreiselternrat und fordere stattdessen die Errichtung einer Gesamtschule für die Region Kremmen/Oberkrämer, „um den heutigen Ansprüchen an einer guten Bildungs- und Betreuungsqualität Rechnung tragen zu können“.

Holger Mittelstädt hingegen richtet den Blick nach Oranienburg, wo Grundschulen ohne Ende gebaut werden würden. „Diesen entwachsen in einigen Jahren Kinder, die auf eine weiterführende Schule kommen. Das macht mir Sorgen. Wir müssen die Kapazitäten erweitern und ins Handeln kommen.“

Dabei sieht Nicole Walter-Mundt den Landrat und sein Team „in der Pflicht, uns eine mehrheitsfähige Perspektive für Schulneubauten im Landkreis vorzulegen, die am Ende nicht nur die absoluten Mindeststandards erfüllen“. Die Schülerzahlen würden das schon seit Jahren hergeben. Am Beispiel der Torhorst-Gesamtschule würde sich zeigen, wie seit Jahren auf Verschleiß gefahren werde. „Das muss sich ändern. Wir haben eine Fürsorgepflicht für Schüler und Lehrer.“

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Was für ein Politikum! Weniger labern und mehr konstruktive Vorschläge sind die Forderungen der Stunde. Es muss konkret und zwar von der Politik und nicht ausschließlich von der Kreisverwaltung Lösungen für die Gesamtsituation gefunden werden. In erster Linie sollte die Forderung an Frau Nicole Walter-Mundt gehen, nicht immer nur zu fordern und bestätigende Worte für Betroffene finden, nein, auch sie kann aufzeigen, welche Lösungen ihr vorschweben und wie diese finanziert werden können!

Auch der Kreiselternbeirat kann sehr gut fordern, nur Lösungsvorschläge sind Mangelware. Natürlich liegt Oberhavel geografisch im Speckgürtel von Berlin und natürlich kommen vorallem Familien hierher und suchen entweder bezahlbaren Wohnraum oder gar bezahlbare Grundstücke. Aber bitte wer berechnet im Voraus die Zuzugsquote? Und wer gibt Auskunft darüber, wie viele Schüler kommen und für welchen Schultyp?

Es ist immer einfach einen Schuldigen zu finden und sich an diesem – hier die Kreisverwaltung – abzuarbeiten. Nur bedenkt bitte, lieber Leserschaft, nächstes Jahr sind Wahlen! Wer wird sich hier auf diesem Gebiet besonders verdient machen?

Der Schulentwicklungsplan wird fortgeschrieben, toll. Doch welche Richtung soll er nehmen? Kommen mehr Schüler, die sich zutrauen und die Voraussetzungen haben, ein Gymnasium zu besuchen, oder kommen mehr Schüler für die Gesamt- und Oberschulen, weil die Eltern Angst haben, ihre Sprößlinge wären sonst überfordert?

Komischerweise sind es nie die Politiker:innen, die die Richtung vorgeben. Es muss immer die Verwaltung sein, die personel komplett unterbesetzt ist. Wie sollen z.B fünf IT-Schulbetreuer die anstehenden Aufgaben für ca. 20/21 Schulen im Landkreis leisten können? Und es kommen weitere Schulen hinzu…

Nur zum Vergleich; in Baden-Württemberg stehen 3 Schulbetreuer pro Schule zur Verfügung! Liebe Politiker:innen, hier ist ihr Einsatz gefragt!

Meckern kann Jeder! Machen nur die Wenigsten…

Der Landkreis und seine Schulen

OGA vom 23. November 2023 OBERHAVEL

Bürgermeister redet sich in Rage

Bildung

Das Löwenberger Land will die Trägerschaft des Schulzentrums Löwenberg an den Kreis abgeben.

Von Stefan Zwahr

Löwenberger Land. Als Brandrede wird ein Wortbeitrag bezeichnet, der eine Problematik initial thematisiert und bestimmte Missstände beschreibt. Eine flammende Rede dieser Art hielt Pieter Schneider, Bürgermeister vom Löwenberger Land, als im Bildungsausschuss des Kreises über die Zukunft vom Schulstandort Löwenberg diskutiert wurde. Der Verwaltungschef begründete die Ideen seiner Gemeinde – und redete sich dann in Rage.

Als Schneider am späten Montagabend das Wort ergriff, war die Tagesordnung fast abgearbeitet. Bis dahin hatte er schweigend und mit nachdenklicher Miene verfolgt, wie über den Schulneubau in Velten oder die Erweiterung von Bildungseinrichtungen in Oranienburg debattiert wurde. Als es um die Umsetzung der Trägerschaftsübernahme des Schulzentrums Löwenberg ging, war seine Zeit gekommen.

Darum soll der Träger wechseln

Zunächst begründete der Bürgermeister, warum sich die Gemeinde Löwenberger Land vom Schulzentrum Libertas – bestehend aus Grund- und Oberschule – trennen will. „Es geht auch um die Kosten. Wir sind gezwungen, den Standort abzugeben.“ Die Gemeinde sei schlichtweg nicht in der Lage, „das Angebot so aufrechtzuerhalten, wie es den Schülern gebührt“. Bei einem Vor-Ort-Termin im Spätsommer hatte Schneider den Ausschussmitgliedern die Raumnot und den Investitionsbedarf verdeutlicht.

Dass die Trägerschaft für das Schulzentrum an den Kreis gehen soll, ist mittlerweile unstrittig. Parteiübergreifend wird gefordert, die notwendigen Maßnahmen mit dem Löwenberger Land in die Wege zu leiten. „Die Übertragung (…) schafft kreisweit vergleichbare Lernbedingungen für Schülerinnen und Schüler und somit Chancengleichheit“, heißt es in einer Beschlussvorlage, die dem Kreistag am 6. Dezember zur Beschlussfassung vorgelegt wird. Da unter Vertretern von CDU, Bündnis 90/Die Grünen, BVB/Freie Wähler und Linke zuletzt in einer Arbeitsgruppe Einigkeit bei der Frage zur Zukunft des Schulzentrums herrschte (und auch die SPD gleichlautend argumentiert), scheint eine Mehrheit garantiert zu sein.

Die Kritik von Pieter Schneider

Diese Aussicht konnte Pieter Schneider nicht besänftigen. „Der Altkreis wird stiefmütterlich behandelt und bedacht“, ist sein Eindruck. Der Landkreis werde seiner Aufgabe, für eine ausgewogene Bildungslandschaft in Oberhavel zu sogen, seit Jahren nicht gerecht. „Wir sind seit 2018 der Bittsteller.“ So lange würde sich die Diskussion um die Schule schon ziehen. „Geben Sie ein Signal in den ländlichen Raum!“, rief er den Mitgliedern des Ausschusses zu.

Diese hatten zuvor drei Stunden lang über die angespannte Situation an den Schulen im Süden des Kreises diskutiert und nach Lösungen gesucht. Schneider mokierte sich darüber, dass erörtert worden sei, ob Schulwege „von vier oder fünf Kilometern zumutbar sind“. Für viele Kinder und Jugendliche zwischen dem Löwenberger Land, Zehdenick und Fürstenberg seien Wege von einer Stunde und mehr – „und das pro Fahrt“ – an der Tagesordnung.

Dass davon die Rede sei, kreisweit vergleichbare Lernbedingungen und somit Chancengleichheit schaffen zu wollen, sei nicht zu erkennen. Schneider sieht nicht, dass der ehemalige Kreis Gransee gleichberechtigt behandelt wird. „Wir sind aber nicht der Vorgarten vom Altkreis Oranienburg.“ Allerdings erkenne er auch da Missstände. „Ich habe den Glauben an den oft gelobten Oberhavel-Standard in unseren Schulen verloren. Es gibt in der Perspektive nur noch Container-Landschaften.“ Eine Anspielung darauf, dass an vielen Standorten Provisorien genutzt werden, um mehr Schüler unterbringen zu können.

Dieses Szenario drohe künftig auch den Einrichtungen nördlich der Kreisstadt – und damit auch Löwenberg. Im Zuge dessen muss investiert werden. Das Problem im Löwenberger Land: „Uns steht das Wasser bis zum Hals“, betont der Bürgermeister. In der Gemeinde würde es sieben Kindertagesstätten geben. „Diese Kosten fressen uns auf.“ Um bei den auch damit verbundenen Aufgaben handlungsfähig zu sein („Wir wollen investieren“), sei eine Entscheidung zum Schulzentrum in Löwenberg „unabdingbar, damit wir ernsthaft planen können“.

Schneider betont, dass seine Gemeinde auch im Bereich Bildung ihren Beitrag leisten wolle, „aber wir schaffen es nicht allein“. Die Kompetenzen (und die finanziellen Möglichkeiten) in der Verwaltung des Landkreises seien höher, um auf die künftigen Entwicklungen reagieren zu können.

Über die Frage, wann das Schulzentrum Libertas vom Kreis übernommen wird, herrscht unter den Parteien noch keine Einigkeit. Die an der Arbeitsgruppe Beteiligten wollen, dass der Entwurf eines öffentlich-rechtlichen Vertrages im ersten Halbjahr 2024 vorgelegt wird. „Wir brauchen für die Kommune einen verlässlichen Zeitplan“, betont Katrin Gehring (CDU). Eine Entscheidung vor der Kommunalwahl im Juni sei absolut wichtig.

Holger Mittelstädt, Bildungsdezernent des Landkreises, bemerkt: „Eine solche Frist ist aus Sicht der Verwaltung unrealistisch.“ Es sei nicht möglich, einen Vertrag bis dahin zu verhandeln. Auch Andrea Suhr (SPD) hat ihre Zweifel – bekräftigt aber, dass es auch im Sinne ihrer Fraktion sei, schnell zu einem Ergebnis zu kommen.

Karsten Kiesewetter nimmt Kreis in die Pflicht

Karsten Kiesewetter (BVB/Freie Wähler) pflichtet dem Bürgermeister bei.

Schulstandorte müssten aus seiner Sicht „dort aktiviert und gebaut werden“, wo es Zuzug gibt.

Junge Familien würden da leben wollen, wo Wohnraum noch bezahlbar ist. „Darum gibt es einen massiven Zuzug im ländlichen Raum.“

Schulen dürften nicht nur in den Städten entstehen. „Auch wir brauchen die Oberhavel-Standards. Es wird höchste Zeit, dass der Kreis Farbe bekennt.“

Schulen in Oberhavel und kein Ende…

OGA vom 30. Oktober 2023 TITELSEITE

Eltern fordern mehr Tempo beim Schulbau

Bildung

Schüler in Containern sowie Neubauten von teils sehr großen Schulen: Die Schulpolitik des Kreises Oberhavel stößt auf Kritik.

Von Roland Becker

Die weiterführenden Schulen in Oberhavel platzen aus allen Nähten. Der Kreis kommt kaum noch hinterher, genügend Schulplätze zur Verfügung zu stellen. Das ruft auch den Kreiselternrat auf den Plan. Dieser äußert an der jetzt im Kreistag vorgelegten Novellierung des Schulentwicklungsplans deutliche Kritik. Was halten die Elternvertreter vom großen Schulneubau in Velten, von der verweigerten Oberschule für Oberkrämer und den Container-Schulen?

Der aktuelle Schulentwicklungsplan ist gerade mal eineinhalb Jahre alt und schon Makulatur. Die Folge: Unter dem Druck, dass für das Schuljahr 2024/25 nach aktuellem Stand 261 Plätze fehlen, muss der Kreis zu Notlösungen greifen. „Wir haben die Situation, dass dauerhaft der Realität hinterhergelaufen wird. Für die Schulsituation der Kinder ist das ein Drama“, schlägt Alexander Krupp, Sprecher des Kreiselternrats, Alarm.

Unsere Kinder sitzen in Containern und müssen in drei Schichten zum Mittagessen.

Der Realität hinterherzulaufen bedeutet, dass viele Kinder und Jugendliche künftig in Containern unterrichtet werden. Vom Landkreis wird dafür das Wort Modulbauten verwendet. Klingt besser, beschönigt aber einiges. „Da sitzen unsere Kinder in Blechcontainern und müssen in drei Schichten zum Mittagessen. Auf dem Schulhof haben sie keine Chance, sich aus dem Weg zu gehen“, spielt Krupp darauf an, dass die Enge zu mehr verbalen und körperlichen Attacken führen kann.

In der jetzigen Situation gibt es zu den Containern keine Alternative, räumt der Kreiselternsprecher ein. „Man kann die Kinder nicht auf den Hof stellen und im Regen unterrichten.“ Das bedeutet aber auch, dass Sporthallen, Pausenräume und Mensen viel mehr Schülerinnen und Schüler verkraften müssen. Dazu komme, dass teilweise Fachkabinette in Klassenräume umgewandelt werden. Auch Räume für den Teilungsunterricht fehlen.

Krupp, der auch Mitglied des Landeselternrates ist, hat einst große Hoffnungen in den neuen Landrat gesetzt. Er erinnert daran, dass Alexander Tönnies (SPD) Anfang 2022 in seinem Wahlkampf öffentlich versprochen habe, Oberhavel zum Bildungslandkreis aufsteigen zu lassen. „Es wäre schön, wenn wir das hinbekommen“, meint der Elternsprecher heute und fordert deshalb mehr Tempo beim Bau von Schulen.

Es wird noch Jahre dauern, ehe geplante Neubauten wie die Gesamtschule in Velten oder die in Schönfließ – diese soll frühestens 2030/31 fertig sein – für spürbare Entlastungen sorgen. „Das hilft vielleicht Kindern, die jetzt in die erste Klasse kommen. Aber es hilft nicht den jetzigen Siebtklässlern“, kritisiert der in Glienicke lebende dreifache Vater das aus seiner Sicht mit angezogener Handbremse gefahrene Tempo für die Bauvorhaben. In Namen des Kreiselternrats fordert er: „Wir wünschen uns eine beschleunigte Planung.“

Krupp hat den Entwurf für den zu modifizierenden Schulentwicklungsplan genau gelesen. Dabei fallen ihm Formulierungen wie diese auf: „Die Barbara-Zürner-Oberschule soll dabei als bestehende Einrichtung erhalten bleiben.“ Der Elternvertreter möchte das klarer gefasst wissen. „Die Schule wird erhalten“, fordert er für die Veltener Bildungseinrichtung.

Wenige Hundert Meter entfernt soll neben Veltens Gymnasium eine Gesamtschule entstehen. Auch unter den Kreistagsabgeordneten sind längst nicht alle damit einverstanden, dort eine fünfzügige Schule zu errichten. Krupp hält sich mit Kritik an dieser Stelle zurück. Das hat weniger damit zu tun, dass er dazu garantiert eine Meinung hat, als damit, dass sich der Kreiselternrat Mitte Oktober neu konstituierte. Daher müssen zu einigen Problemfällen in der Schullandschaft erst noch gemeinsame Positionen gefunden werden.

Seine eigene Meinung aber steht fest: „Es sollten keine extrem großen Schulstandorte entwickelt werden.“ Er plädiere getreu dem bisherigen Motto des Kreiselternrates – Kurze Wege für kleine Füße – für dezentrale Bildungseinrichtungen. Indirekt kann das als ein Appell zum Bau einer weiterführenden Schule in Oberkrämer verstanden werden. Im Landratsamt, wo man sich beharrlich dagegen wehrt, wird das nicht gern gelesen werden.